Kompromisslos bis in das letzte Detail - Teil 1
Der Besuch bei Uli Frost - im Forum unterwegs als Drumrecording - hat nachhaltige Spuren hinterlassen. Weit über 300 Paiste Formula 602 Becken sieht man nicht allzu häufig. Doch neben seiner Beckensammlung befasst sich Uli ausführlich mit der Restauration von Trommeln. In seinem eigenen Studio ist er immer auf der Suche nach den perfekten Klang.
Einen Einblick in diese Suche zu bekommen war ein faszinierdendes Erlebnis und ich brauchte Tage um die gewonnenen Informationen zu verarbeiten. Uli ist zudem ein auskunftsfreudiger Zeitgenosse, der es versteht, seine Erkenntnisse zu vermitteln. Vielen Dank für das tolle Interview sowie dessen Korrektur, das den bisherigen Rahmen sprengt und deswegen unterteilt ist. Auch möchte ich mich bei Wahan bedanken, ohne ihn hätte ich Uli nicht kennen und schätzen gelernt.
DF: Seit wann spielst du Schlagzeug und warum ausgerechnet dieses Instrument?
UF:Ich lerne Schlagzeug seit meinem dritten Lebensjahr. Warum Schlagzeug? Es kam einfach so.
DF: Was bedeutet das Instrument für dich?
UF: In menschlicher Hinsicht kann ich mir ein Leben ohne Schlagzeug schwer vorstellen. Das Schlagzeug und auch die Musik insgesamt bedeuten mir sehr viel. Ich bin damit aufgewachsen und das lässt sich auch nicht mehr wegdenken. Selbst, wenn ich nicht mehr so "intensiv" die Sache betreiben würde, werde ich wohl irgendwo Stöcke und zumindest eine Trommel stehen haben. Ganz ohne kann ich es mir derzeitig nicht vorstellen.
In musikalischer Hinsicht freue ich mich, dass wieder mehr akustische Sets bei den Aufnahmen zum Einsatz kommen. Insofern freue ich mich über Bands wie Juli, Silbermond und viele andere. Besonders im Nachwuchssektor tummeln sich unzählige Bands, die endlich wieder das Schlagzeug als "sichtbares" Instrument zulassen und nicht irgendwelche Standardsamples benutzten und alles gleich klingen lassen. Das beste Beispiel ist für mich ist hierfür der SchoolJam-Wettbewerb.
Aber ich muss zugeben, dass ich vor einigen Jahren noch die Befürchtung hatte, dass das "echte Schlagzeug" an Boden mehr und mehr verliert und somit auch nicht mehr aufgenommen wird und nur noch Programmierer Jobs bekommen.
Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass da eine Generation heranwächst, die nur noch Computermusik macht und diese auch nur noch kennt. Mit der Folge, dass diese Generation keine Ahnung von den Ursprüngen der Instrumente hat. Wie eine so genannte "Lost Generation".
DF: Warum hattest Du diese Befürchtung und Sorgen?
UF: Naja! Wenn eine Generation aufwächst und nur noch Sounds aus der Konserve hört und darüber hinaus das Instrument bei Live-Gigs und in TV-Show fast gar nicht mehr sieht, dann ist das schon ziemlich bedenklich.
Bedenklich dahingehend, dass dadurch das "Bedürfnis" Schlagzeug zu spielen erst gar nicht geweckt werden kann. Frage dich doch mal selbst, warum du in deinem Leben Milch zu Dir genommen hast? Weil Du die Milch als Baby irgendwann erstmalig bekommen hast und danach immer wieder Milch abgefragt bzw. getrunken hast. Wenn du etwas nicht kennst, dann weckt es auch kein Bedürfnis in dir.
DF: Klar, wenn du dich als Kind nicht mehr für ein Instrument begeistern kannst, weil du es nirgends live mehr siehst, dann kaufst du es auch nicht. Dir fehlt also das Erlebnis, das den Wunsch wachsen lässt, auch so ein Teil haben zu wollen.
UF: Richtig! Und ich gehe noch einen Schritt weiter!
Das Instrument Schlagzeug in Form des "echten" Schlagzeuges hat in den letzten Jahren klar an Boden verloren und kommt jetzt erst langsam wieder. Die Hersteller haben es zwar immer noch schwer, weil einfach - meines Erachtens - viel zu viele Anbieter auf dem Markt sind und die Händler doch gar nicht mehr wissen, was sie verkaufen bzw. zuvor einkaufen sollen. Die Flut ist riesig und die Geiz-ist-geil-Mentalität auf der Kundenseite hat dazu geführt, dass hochwertige und langlebige Instrumente nicht mehr so abgefragt werden wie früher. Meine Generation ist in den 80ern mit den Drum Sets groß geworden und da haben sich die Firmen ein regelrechtes Wettrüsten um die Qualität geliefert. Vergleiche mal die Verchromungen von damals und vergleiche das mit den Verchromungen von heute. Mein Sonor Signature Ständer von 1982 ist immer noch top in Schuss. Das gleiche gilt aber auch für mein Pearl DR 2 Rack und den dazugehörigen PC 3 Klemmen. Ingo! Um was sollen wir wetten, dass Deine Ständer nach 24 Jahren nicht mehr so aussehen oder schon längst wieder eingeschmolzen wurden?
DF: Die Wette gehe ich lieber nicht ein!!!
UF: Die Hersteller sind der "Geiz-ist-geil-Mentalität" der Kunden regelrecht ausgeliefert. Meine Generation schaut dann eher auf die Customhersteller und gibt dann da das Geld aus oder restauriert die alten Drums, was natürlich auch eine Möglichkeit geworden ist.
DF: Wie bist Du mit Schlagzeug angefangen?
UF: Bei mir war der Auslöser der Drummer meines Vaters, der bei uns im Keller sein Set aufgebaut hatte. Das ist der Keller, wo heute mein Schlagzeug steht und ich die Aufnahmen mache. Bei einer Probe der Band meines Vaters sah ich den Drummer, wie er auf dem Standtom etwas spielte und ging in den Waschkeller, um mir aus einem Dasch-Eimer eine Trommel zu basteln. Als Sticks dienten mir blaue Lego-Schienen von der Eisenbahn meines Bruders J. Da das nicht gerade effektiv war, ging ich in die Küche meiner Oma und holte mir die alt bekannten Sachen aus dem Schrank.
Jedenfalls spielte ich immer in der Küche meiner Oma mit, wenn mein Vater eine Probe mit seiner Band hatte. Meine Oma hörte dieses und sie konnte dann in ihrer Küche keine Kreuzworträtsel lösen. Das war bei ihr ein tägliches Ritual und da sie wieder Normalität herstellen wollte, holte sie - ohne das ich es merkte - meinen Vater und so stand er eines Tages in der Küche, obwohl ich doch die Musik der Band aus dem Keller hörte. Tja! Die haben sich einen Spaß erlaubt! Sie hatten die Band bei einer Probe zuvor aufgenommen und dann das Tonband über die PA ablaufen lassen. So bemerkte ich nicht, dass die Band gar nicht live spielte. Ein Tag später war die erste "Papiertrommel" da. Dann bekam ich mehrere Papiertrommeln, die natürlich alle nicht lange hielten. Da das auf Dauer zu teuer wurde, schenkten mir meine Eltern eine richtige Snare. Das war eine Sonor Action. Zudem bekam ich ein paar Stunden Unterricht von dem Schlagzeuger meines Vaters. Parallel dazu lernten meine Geschwister auch Instrumente. So ergab es sich, dass ich mit acht Jahren meinen ersten Auftritt hatte und der Erfolg kam schneller als wir dachten. Preise beim WDR, Einladungen von der damaligen Bundesregierung, Touren durch Kanada und Tunesien sowie Touren in der Schweiz, Frankreich, Österreich und in den Benelux-Staaten usw.
Anfang der 1990er Jahre wollten meine Geschwister dann aber was anderes machen. Ich habe dann auch meine Ausbildung begonnen und nebenbei spielte ich in verschiedenen anderen Bands und flog Mitte der 1990er in die USA um bei Joe Procaro Unterricht zu nehmen.
DF: Hattest Du also bis dahin kein regelmäßigen Unterricht gehabt?
UF: Bis 1985 hatte ich keinen regelmäßigen Unterricht. Ich hatte aus anderen Gründen heraus nicht die Möglichkeit, regelmäßig Unterricht zu nehmen und außerdem hatte ich mir fast alles selber aus den Platten rausgehört. Zudem hatten meine Eltern immer das Problem überhaupt einen geeigneten Lehrer für mich zu finden. Ihnen wurde immer mitgeteilt, dass ich alles könnte und daher keinen Unterricht mehr bräuchte. Und damals war in unserer Umgebung kaum eine Auswahl an Schlagzeuglehrern Es gab zwar hier und da mal Unterrichtsabschnitte mit 4 bis 5 Monaten regelmäßigen Unterricht, aber es war bis 1992 nichts Regelmäßiges. Vielleicht war ich damals auch nicht offen genug für den Unterricht.
DF: Was hatte sich geändert?
UF: Der Wunsch nach qualifiziertem Unterricht entstand durch das Zusammenspielen mit anderen Musikern. Ich musste feststellen, dass ich zwar gut mit meinen Geschwistern spielen konnte, aber mit anderen Musikern meine Probleme hatte. Ungewohnt war für mich z.B. die Studiosituation. Als wir 1992 mit der Deutschrock-Gruppe "Spunk" im Studio waren und im Mehrspurverfahren die einzelnen Tracks einspielten, hörte ich meine Fehler gnadenlos raus. Ich war vorher mit meinen Geschwistern in Studios, aber wir haben nie die Spuren einzeln eingespielt. Das war natürlich eine harte Erfahrung. Denn ich spielte schon seit Jahren Schlagzeug, aber mir wurde gerade gnadenlos der Spiegel vorgehalten. Deswegen sage ich noch heute, dass ich Schlagzeug lerne und nicht "spiele".
Jedenfalls stand ganz schnell die Frage im Raum, was ich falsch gemacht habe. Ich fragte mich, ob ich weitermachen oder aufhören sollte, zumal auch in der Band ein tierischer Zoff entstanden war.
Tja, ich war mehr Autodidakt und hatte kaum regelmäßigen Unterricht gehabt. Ich brauchte also jemanden, der mir die Technik und zeigte. In den 80er hattest du eben noch nicht die Angebote wie Videos, DVD´s oder virtuelle Schulen wie heute. Es gab zwar Bücher, aber die waren absolut trocken. Heute bekommst Du die Lerneinheiten auf einem silbernen Tablett serviert. Das gab es früher so nicht.
Naja, ich habe mir dann ein paar Drummerzeitschriften im Bahnhofskiosk angeschaut und ganz einfach Manni von Bohr angerufen und ihm meine Probleme erzählt. Vor allem war die Problematik, dass alle Lehrer hier im Umkreis sagten, dass sie mir nichts mehr beibringen könnten.
M.v.B. erzählte mir am Telefon von der Modern Drum School. Die nächste für mich lag in Gießen. Das war von Paderborn nun nicht gerade um die Ecke, aber warum sollte ich nicht den "Schnuppertermin" bei Dirk Rosenbaum wahrnehmen. Also fuhr ich nach Gießen. Nach diesem Termin fuhr ich alle 14 Tage mit dem Zug nach Gießen und bekam dort jeweils 90 Minuten Unterricht. Ich höre noch heute Hans-Peter Becker in meinen Ohren sagen:
"Du kannst doch nicht insgesamt 13 Stunden mit dem Zug und Bus für 90 Minuten Unterricht unterwegs sein."
Zugegeben! Es war schon etwas verrückt. Aber da es sich auf alle 14 Tage beschränkte und ich sonst keine anderen Sachen neben meiner Ausbildung machte, war ich zu diesem Opfer bereit.
Der erste reguläre Unterricht im November 1992 war schon wirklich bezeichnend. Diese 90 Minuten hatten es in sich und ich erinnere mich noch genau, wie Dirk Rosenbaum mir das Lied "Lido Shuffle" von Boz Scaggs (gespielt von Jeff Porcaro) präsentierte und mich spielen ließ. Nach der Unterrichtsstunde fand ich in der Bahnhofsbuchhandlung in Gießen das Special von Jeff Porcaro. Das gesamte Sticks-Magazin war aufgrund seines Todes ihm gewidmet und ich sah die Discographie und musste feststellen, dass von meinen damals 80CD´s über die Hälfte von Jeff Porcaro eingetrommelt waren. Ich muss zugeben, dass ich bis dato nicht einmal in die Booklet´s meiner CD´s geschaut habe und erst durch diese besagte Discographie im Sticks-Magazin die ganze Sache in einem ganz anderen Blickwinkel sah. Somit hatte sich der ganze Aufwand schon deshalb "gelohnt".
Im Bezug auf mein Schlagzeug spielen stand zwar das Haus, aber das Fundament war doch sehr brüchig. Letztendlich brach ich das Haus ab und fing bei der Modern Drum School von Null an. Und das war richtig so.
Dirk Rosenbaum zeigte mir die Grundlagen und besonders die Technik und ab Sommer 1993 hatte dann die Modern Drum School eine Filiale in Oelde. Das war natürlich näher als Gießen und somit übernahm Dirk Brand den Unterricht. Es öffnete sich seit der MDS-Zeit eine Tür nach der anderen mit völlig neuen Möglichkeiten. Ich kann an dieser Stelle meinen Dank an Manni von Bohr, Dirk Rosenbaum und Dirk Brand nur bekräftigen und bin im Nachhinein froh über die negative Erfahrung im Studio.
1994 lernte ich auf der Musikmesse durch Manni von Bohr Simon Phillips kennen. Wir unterhielten uns über Mikros, weil ich damals in eine neue Band eingestiegen bin und erstmalig Mikrofone kaufen musste. Simon hatte mir einige Top-Grundlagen erklärt, für die ich heute noch dankbar bin. Wir haben uns dann 1995 beim Zeltmusikfestival in Freiburg wieder getroffen. Ein Bekannter hatte Backstagekarten für Toto. Wie es der Zufall wollte, hatte ich zeitgleich über Hans-Peter Becker Kontakt zu Joe Porcaro aufgenommen, da ich mir Unterricht bei Joe Porcaro organisieren wollte. Ich hatte die Zusage ein paar Tage vor dem Toto-Konzert in Freiburg erhalten und als wir im Backstagebereich waren und wir uns mit Simon Phillips unterhielten, kam Mike Porcaro dazu und ich erzählte, dass ich bei seinem Vater in drei Wochen Unterricht erhalten kann. Mike freute sich über den Besuch in Los Angeles und lud mich ins Studio ein. Er sagte, dass sie zu dem Zeitpunkt die "Tambu" bei Capitol Records abmischen und ich sollte vorbei kommen. Wir tauschten unsere Daten aus und das war es für den Moment. Ich konnte das nicht so ganz fassen, was da gerade passiert war.
Ich flog ohne Erwartungen nach L.A., denn ich rechnete nicht wirklich damit, dass das mit der Einladung klappen würde. Mein Motto bei solchen Geschichten war und ist:
Erwarte nichts, dann kannst du auch nicht enttäuscht werden.
So war ich dann auch nicht überrascht, dass der erste Termin mit Joe nicht klappte, weil er eine Studiosession hatte. Man muss immer daran denken, dass man es mit Profis zu tun hat und da gehen Studiojobs nun mal vor. Zum Glück rief er mich dann später an und ich bekam eine Stunde bei ihm zuhause.
Das mit dem Studiobesuch klappte auch, außerdem half Joe mir beim Kauf einer Black Beauty. Dadurch kam auch der Kontakt zu den Drumtech´s Ross Garfield (Drum Doctors) und Paul Jamieson (Der Erfinder des Pearl DR 1 Racks und Drumtech von Jeff Porcaro). Schließlich lernte ich durch Joe noch andere Musiker kennen. So war mein dreiwöchiger Urlaub mit mehreren Studiobesuchen, Unterrichtseinheiten und Konzertbesuchen komplett durchgeplant. Da bekam ich dann die schönen Seiten des Business mit. Aber, die Schattenseiten lernte ich auch kennen. Das Business ist knallhart. Joe fragte mich, ob ich für ein Jahr nach L.A. an das PIT gehen möchte. Ich entschied mich dagegen und flog dann lieber jedes Jahr nach Los Angeles um bei Joe und auch vielen anderen Drummern wie zum Beispiel Mark Schulman, Tal Bergman, Myron Grombacher, Gregg Bissionette usw. Unterricht zu nehmen. So blieb das Schlagzeug mein Hobby und mein Geld verdiene ich mit etwas anderem. Einige sagen bestimmt, wie kann man so ein Angebot ausschlagen? Ganz einfach! Erstens hatte ich einen festen Job, zweitens musste ich sehen, dass das PIT damals zwar mit vielen Namen geworben hat, aber diese Lehrer nur ab und zu da waren. Daher wollte ich mir lieber den Unterricht direkt privat buchen und nicht ein Jahr lang in die U.S.A. gehen.
Vor allem gab es aber noch ein viel wichtigeren Aspekt:
Es war damals schon absehbar, dass ProTools, Logic, Cubase, Samples und viele andere Faktoren Jobs im Musiksektor vernichten werden. Ich hatte bei meinem ersten Aufenthalt in Los Angeles das Glück, an die Firma West Lake Audio zu geraten, die für Ihre Tonstudios bekannt sind, die aber auch Studioequipment verkaufen (ich brauchte mal wieder ein paar Mikrofone J). Bei West Lake Audio war gerade eine Vorführung von ProTools bzw. von der Firma Digidesign und der Rationalisierungseffekt war für mich damals schon absehbar. Natürlich muss jemand die Geräte bedienen, aber im Kontrollraum der Studio´s saßen schon genug Leute und somit war es klar, dass durch diese Systeme nicht unbedingt mehr Jobs entstehen. Ich habe nach 1995 viele Profis kennen gelernt, aber auch deren Nöte und wirtschaftlichen Ängste. Und das was ich damals bei Westlake Audio gedacht habe, traf dann auch zu. Wie oft mussten dann die Profis - und da spreche ich nicht nur über Drummer und Percussionisten - alle möglichen Angebote annehmen, damit sie ihre Miete für die Wohnung bezahlen konnten. Gott sei dank habe ich mich damals dagegen entschieden, weil ich ohne großen wirtschaftlichen Druck Musik machen wollte und von der Position aus freier im Kopf agieren kann.