Wird die Aufnahmequalität von Studiorecords generell rauher / authentischer?

  • Hallo, ich wollte das hier mal zur Diskussion stellen:


    Ich hab momentan sehr viel Zeit meine ganze Musiksammlung mal wieder durchzuhören. Dabei fällt mir eines immer wieder auf: Irgendwie scheint die Aufnahmequalität bei professionellen Studioaufnahmen immer mehr abzunehmen. Das muss jetzt nicht immer im negativen Sinne gemeint sein (vieleicht ist "abnehmen" auch nicht ganz das richtige Wort dafür), aber eine definitive Veränderung zu weniger "cleanen" Aufnahmen stelle ich auf jeden Fall durchgängig fest.


    Beispiel:
    Vergleicht mal "Stadium Arcadium - 2006" mit "By the Way - 2002". Letzteres ist absolut clean gemastert, kein falscher Ton, absolut keine Timingschwankungen bei keinem Instrument, alle Tonlautstärken gleich (erinnert schon fast an getriggert) ein leichtes (gewolltes) Übersteuern ist alles was es auszusetzen gibt. Stadium Arcadium klingt allgemein sehr viel weniger "produziert", die Drums haben VIEL mehr schwankungen (leutstärkemäßig und tontechnisch) nicht alle Töne sitzen sauber (ab und an hört man sogar leicht die Rims bei den nicht perfekt angespielten Toms), wenn Frusciante bei einem Solo mal einen Ton nicht absolut sauber anzupft ist auch das zu hören. Der Bass scheppert ab und an ganz schön, etc, etc..
    Das gleiche Bild bei blink-182: "Take off your Pant and Jacket" von 2001 und das "blink-182" selftiteled (ende 2003) sind produktionstechnisch absolut unterschiedlich. Take off ist sowas von clean und absolut perfekt einfach gemastert, ich habe nicht eine stelle gefunden wo etwas nicht 100% im Timing oder auf einem Volumelevel sitzt. Beim Selftitled ist viel mehr Dynamik in jedem Instrument, besonders aber bei den Drums dabei. Die Snaresounds klingen viel rauher und weniger kompressed. Das macht das ganze Album sehr viel interessanter...
    Bei System of a Down: Memerize/Hypnotize sind viel weniger "genau" als alles vorher aufgenommene... Beim letzten Lied von Mezmerize (Lost in Hollywood) läuft das schon fast aus dem Ruder: Die Drums sind bei den Steigerungsparts völlig asynchron zum Rest der Band, die Bassdrumsounds werden plötzlich mal um 50% lauter und dann wieder leiser (reiner Produktionsfehler!).
    Aber auch bei Records von neuen Bands ist es nicht anders. Das Album von Bullet for my Valentine klingt irgendwie absolut rau und schmutzig. Zb das Kratzen beim Intro von "All these Things I Hate" hört sich an als hätte die CD nen Hänger. Sowas hätte man bei einem paar Jahre früher aufgenommenen Album kaum gefunden. Und das geht überall so weiter. Auch bei "echten" Popbands.. The Goo Goo Dolls: Dizzi Up the Girl von 99 und das neue Album - nicht ganz so extremer Unterschied, aber doch vorhanden. Ja sogar bei HipHop Alben und Girly-Pop alle X-Tina lässt sich das feststellen (wenn auch natürlich nicht ganz so extrem wie bei Rocksachen).


    Man kann das alles nichtmal richtig mit Worten beschreiben.. Die Aufnahmen werden imho irgendwie einfach rauher. Mir persönlich gefällt das eigentlich gar nicht so schlecht. Es bringt mehr Leben in die Aufnahmen und teilweise fast ein bisschen live-Flair..


    Ich hab mir gedacht dass das evtl daher stammen könnte das die großen Bands immer ausgefallenere Aufnahmeorte suchen (blink haben ihr selftitled in nem fremden Wohnhaus auf Hawai aufgenommen, die Peppers sind vom normalen Studio (By the Way) zum Haus von Rick Rubin zurück gewandert, ebenso System of a Down) und bei den kleineren Newcommer an Studigebühren einfach gespart wird... Bei den großen Bands kommt dabei meistens ein angenehmes Flair rüber, da wo aber wirklich an Produktionskosten gespart wird sind echte Produktionsfehler nicht selten.


    Sehe das nur ich so oder fällt das anderen hier auch auf? Was denkt ihr darüber? Gründe, Gut/Schlecht.. Ich finde ein interessantes Diskussionsthema..

    3 Mal editiert, zuletzt von Emperor-Z ()

  • Zitat

    Ich hab momentan sehr viel Zeit meine ganze Musiksammlung mal wieder durchzuhören. Dabei fällt mir eines immer wieder auf: Irgendwie scheint die Aufnahmequalität bei professionellen Studioaufnahmen immer mehr abzunehmen. Das muss jetzt nicht immer im negativen Sinne gemeint sein (vieleicht ist "abnehmen" auch nicht ganz das richtige Wort dafür), aber eine definitive Veränderung zu weniger "cleanen" Aufnahmen stelle ich auf jeden Fall durchgängig fest.


    Das ist ja mal ein interessantes Statement.


    In Bezug auf Deine Hörbeispiele kann ich nix sagen, da ich sie nur teilweise und ausschnitthaft kenne.


    Fakt ist aber, das tatsächlich je nach Band (oder Bandphase) und Produzent sowie Engineer-Auswahl auch immer mal wieder "Schritte zurück" erfolgen. Wenn man es so nennen will.


    Andere nennen es erdiger, echter, rauher... authentischer ?


    Gerade bei manchen Brit(pop)bands fällt mir auf das in den letzten Jahren viele Produktionen deutlich weniger geschliffen und poliert klingen.


    Bei den gut auf dem Markt platzierten Bands (in Sachen Absatzzahlen) denke ich, sofern eine Veränderung in Richtung rauherer Sound bemerkbar ist, ist eine bewußte Entscheidung.


    Es gibt aber auch andere Bands (teilweise ehemals nicht gerade absatzschwache)... deren Blütezeit marktwirtschaflich betrachtet um ist. Und da kann man dann manchmal! schon dem Sound den gegenwärtigen Produktionsetat zuordnen. Beispiele möchte ich nicht nennen... denn Schadenfreude ist da fehl am Platz. Vielen Bands des Rockgenres geht es tendenziell nicht gut.


    Mir fällt dann immer als erstes auf, dass die Kompression völlig falsch eingestellt ist. Das die Aufnahme total "eben" klingt ohne, wirkliches Leben - oder was noch schlimmer ist, manche Instrumente "kommen und gehen". Als würden sie zunächst in einer Nebelbank stehen und schemenhaft erkennbar sein, dann steht prlötzlich bei irgendeinem Akkord eine Gitarrenwand vor einem, die fast erdrückt (manchmal auch den Sänger in diesem Moment aus dem Mix drängt) und 2-3 Sekunden später verschwindet die Gitarrenwand wieder in der Nebelbank. Da zerspringt mir das Herz, da spätestens letzteres jedem Musiker beim finalen Check auffallen muß und solche Artefakte Musik ein Stück weit zerstören. Wenn sie das so trotzdem veröffentlichen kann das unter anderem Bedeuten "mehr Geld für ein sachgerechtes Nachbessern" war nicht da... es gibt sicher noch andere Erklärungsmuster...


    Rauher und erdiger muß aber nicht immer kleiner Produktionsetat bedeuten. Siehe oben... manchmal eine bewußte Entscheidung.


    Und was nicht vergessen werden darf: in einigen Fällen sind auch die "geleckten", auf trigger oder Sample-Editerung basierenden,
    "Millisekunden-akribisch-spurbereinigten-Produktionen", die zunächst professionell erscheinen (wollen), in Fakt recht billig am PC zusammengeschustert. Aber auch hier ist das oft KEIN böser Wille der Band an sich, sondern Sachzwang aufgrund knapper Etats. In Einzelfällen sind auch "Bereicherungsgelüste" potentieller Bandleader denkbar... die am Drummer oder anderen echten Instrumentalisten als erstes sparen... zumindest kenne ich da viele konkrete Beispiele.

  • In einigen Fällen muss ich dir zustimmen.
    Ich für meinen Teil mag aber keine völlig überproduzierte Platten.
    Da fehlt einfach die gewisse Persönlichkeit die eine Band halt ausmacht.
    Meiner Meinung nach ist nix gegen kleine Schönheitsfehler einzuwenden, denn das ist für mich ehrliche Musik.


    Im übrigen kann ich nicht behaupten dass die Sadium Arcadium viel schlechter recorded is als By the Way.
    Ich persönlich finde den Gesammtsound sehr sehr gut, gerade jetzt wo ich mich mit dem Gitarrensound doch angefreundet habe.


    Ich seh es so:
    Ein Album ist ein menschliches Machwerk.
    Und kein Mensch, und damit meine ich auch absolut keinen, kann etwas ganz ohne Fehler machen.
    Und genau das macht die gewisse Autenthizität aus. Und die gilt es wiederzugeben.
    So soll es sein.


    Allgemein kann ich aber bei jüngeren Studioproduktionen im allgemeinen rein soundtechnisch nur eine Verbesserung feststellen.
    Grade Bullet for my Vallentine, die du ja angesprochen hast, liefern auf dem Album ein extrem fettes Gitarrenbrett, auch Billy Talent.
    So ein spezifischer Sound wie auf diesen Platten war früher kaum möglich beziehungsweise üblich.
    Also: Von mir aus gerne auch mal kleine Patzer solange der Sound stimmt :]


    Grüße,
    Filmriss :)

  • Das Phänomen dass eine Band ein Album macht, das super klingt und danch diese Qualtität nicht mehr erreicht ist ja an sich nichts neues. - warum auch immer... sei es gewollt oder ungewollt oder einfach durch äußere Einflüsse vorgegeben..
    Die Blink Alben klingen ja alle sehr verschieden. Da findet man von Standard-Punk-Rock Aufnahmen bis hin zu pop-ähnlich durchproduzierten Alben ja alles.
    Das SOAD Album, das du angesprochen hast ist meiner Meinung nach Produktionstechnisch durchwegs sehr hochwertig. Was da an vielen kleinen Details drin steckt - Synth sounds oder Stimmen im Hintergrund. Von der grandiosen Percussion-Arbeit, die in dieser Stilistik ja gar nicht so selbstverständlich ist ganz zu schweigen. Dass die von dir angesprochenen finanziellen Einsparungen für die von dir beschriebenen Stellen verantwortlich sein sollen, mag ich gar nicht glauben. Wenn dann doch eher die EInstellung, dass man weniger Schneidearbeit verrichten will und einen "echteren" Sound auf Platte bringen will.


    Letztendlich kommt das ganze aber doch wieder auf den Standpunkt des betrachters an - je nachdem welche Platten man im Auge behält. Da wird es immer Bands geben, deren Platten jetzt mehr nach perfekter Studioaufnahme klingen und dann eben auch Bands die keine Lust auf Tagelanges Einspielen und Schneiden eines einzigen Songs mehr haben.


    Edit: Da haben aber doch einige gepostet, bis ich mit schreiben fertig war :D

    Einmal editiert, zuletzt von Nuuk ()

  • Zitat

    Original von Drumstudio1
    ...
    Fakt ist aber, das tatsächlich je nach Band (oder Bandphase) und Produzent sowie Engineer-Auswahl auch immer mal wieder "Schritte zurück" erfolgen. Wenn man es so nennen will.


    Andere nennen es erdiger, echter, rauher... authentischer ?...


    Also extrem ( ;) ) war es auch bei Extreme:
    - "Extreme" bis "Three sides to every stoy": stetig zunehmender Bombast-Rock-Anteil mit x gedoppelten Gitarrenparts bis hin zu Orchestereinsatz etc.
    - "Waiting for the punchline": Extrem "amateurhaft" aufgenommen. Klingt bisweilen, als ob jemand ein StereoMik in den Probenraum gestellt hätte - ist aber bestimmt 100% so gewollt (und deutlich recht teurer/aufwendiger so hingebogen, als es klingt).


    Ich find es sehr angenehm, dass man wieder merkt, dass Musik "handwerklich" ist und stärker ein Schwerpunkt auf Songwriting, Ausdruck und "Gruppendynamik" gelegt wird (lustig, dass "Naked" nach eigenen Aussagen eigentlich doppelt so schnell sein sollte, aber alle "... zu stoned waren ..." und man hinterher feststellte, dass der Song so viel besser "funktioniert" .. ;) .


    Ach Mensch, ich muß die mal wieder rauskramen !!!


    Danke für den Thread,


    Simon2.

  • Zitat

    Original von Drumstudio1
    Fakt ist aber, das tatsächlich je nach Band (oder Bandphase) und Produzent sowie Engineer-Auswahl auch immer mal wieder "Schritte zurück" erfolgen. Wenn man es so nennen will.


    Das ist genau das was ich meine... Ich hab eben nochmal ein paar Worte oben ausgebessert die imho nicht ganz so gut gewählt waren. Ich würde das nicht mal als "Schritt zurück" bezeichnen - eher Schritt in die richtige Richtung. Es bring viel mehr Feeling von der Band rüber, als wenn alles geplättet ist.


    Zitat

    Andere nennen es erdiger, echter, rauher... authentischer ?


    Dito!


    Zitat

    Es gibt aber auch andere Bands (teilweise ehemals nicht gerade absatzschwache)... deren Blütezeit marktwirtschaflich betrachtet um ist.


    Sicher, sowas kommt irgendwann immer. Aber ich glaube das trifft eigntlich auf keine der CDs zu die ich jetzt angehört habe (bei den Goo Goo Dolls kenne ich mich allerdings nicht so gut aus). Ich weis aber sicher dass sowhl blink-182 als auch die Peppers bei ihren letzten Alben weit mehr Power, Zeit und damit verbunden (unausweichlich) auch Geld in die Produktion gesteckt haben.


    Zitat

    Und was nicht vergessen werden darf: in einigen Fällen sind auch die "geleckten", auf trigger oder Sample-Editerung basierenden,
    "Millisekunden-akribisch-spurbereinigten-Produktionen", die zunächst professionell erscheinen (wollen), in Fakt recht billig am PC zusammengeschustert.


    Gut, sicher auch das. Aber ich persönlich habe mit dem Ausgangspost jetzt nur "richtige" Aufnahmen in Verbinung gebracht, soche wie ich auch als Beispiele genommen habe. Trotzdem stimmt deine Aussage natürlich - nur meine ich dass eben diese Computermusik derzeit eher abnimmt?


    Zitat

    Original von Nuuk
    Das SOAD Album, das du angesprochen hast ist meiner Meinung nach Produktionstechnisch durchwegs sehr hochwertig. Was da an vielen kleinen Details drin steckt - Synth sounds oder Stimmen im Hintergrund. Von der grandiosen Percussion-Arbeit, die in dieser Stilistik ja gar nicht so selbstverständlich ist ganz zu schweigen.


    Natürlich ist das Album allgemein was die Musik und Effekte an sich betrifft sehr gut produziert. Sogar weitaus besser als die älteren SOAD Sachen. Genau das gleiche trifft auch auf Stadium Arcadium und blinks Selftitled zu. Wie ich oben schon geschrieben hatte: Es wurde von allen 3 Beispielbands weit mehr Aufwand in die Produktion gesteckt um am Ende ein rauheres und trotzdem IMHO sehr viel besseres Ergebniss zu erhalten. Fehler wie bei Lost in Hollywood kommen mal vor - Das sollte nicht heißen das SOAD eine der Bands ist die auf Low-Budget-Produktionen zurückgrifen. Das ganz sicher nicht...!


    Also was ich jetzt generell meinte war dass die reine Produktion (ganz unabhängig von der eigentlichen Musik selbst, also Songwriting, Effekte, etc) deutlich weniger clean wird OBWOHL nicht weniger oder sogar deutlich mehr Geld in die Aufnahmen gesteckt wird. Ich persönlich finde das Resultat wie gesagt gut... Deswegen meinte ich ja schon das "abnehmen" nicht das richtige Wort sei. Aber ein Trend in diese Richtung ist definitiv zu beobachten - oder nicht?

    Einmal editiert, zuletzt von Emperor-Z ()

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