Gestern bin ich erstmals zu dem Vergnügen gekommen, den allseits -offenbar auch hier im Forum- so gelobten, geliebten und geschätzten Mike Portnoy mit DREAM THEATRE live bei der Arbeit zu sehen.
Zugegebenermaßen hatte er bei mir fast schon verloren, bevor er auch nur die erste Note gespielt hatte, nämlich als sein Schlagzeug vollkommen abgedeckt auf die Bühne geschoben wurde und auch der Soundcheck in diesem Zustand gespielt wurde. Was sollte das? Nun ja. Wie sein "Siamese Monster" aussehen würde, hatte ich bereits in der letzten Ausgabe des 'Modern Drummer' gesehen und war mithin ehrlich gespannt, was er mit einem derartigen Arsenal and Toms, Kicks, Snares und Becken anfangen würde.
Das Ergebnis war eine einzige Enttäuschung. Portnoy hat nichts, aber wirklich auch gar nichts gespielt, was ein versierter Trommler nicht auch mit einem 20-10-12-14-Kit mit zwei Crashes, HiHat, Ride und China hätte spielen können. Wirklich kein Witz. Das uninspirierte Getrommel war genauso nichtssagend wie die ganze Musik der ganzen Truppe, die die etwa 15.000 Zuschauer nur mit dem Mittelstück von METALLICA's "Master of puppets" kurz begeistern konnte. Natürlich hat Mike ganz ordentlich gespielt, keine großen Aussetzer, gefällig-musikalische Grooves; aber bar jeden Feuers, jeder Innovation, jeden Esprits. Das Timing der Hände war zwar gut, aber keinesfalls überragend. Selbiges gilt für seine wenig beeindruckende Akkuratesse beim doublebass-en. Solide, aber nicht erwähnenswert.
Seine einzig wirklich nennenswerten Großtaten waren diese:
- Nachdem er einen showmäßig hochgeworfenen Stock hat fallen lassen (es hatte sich bei den vorherigen Würfen schon angekündigt: peinlich), griff er blitzschnell mit seiner Rechten über seine Linke in die Stick-Bag und rettete die Situation ohne Aussetzer. Respekt. Allerdings hätte er besser eine Stunde oder zwei im Showdrumming beim namenlosen Trommler von Bruce Dickinson genommen. Der ist, im Gegensatz zum guten Mike, eine echte Stockwurf-Rakete.
- Seines Speichels entledigte er sich bevorzugt nicht durch Schlucken, sondern durch meterweites Rotzen. Er hat es fertiggebracht -gleich, ob nach links oder nach vorne spuckend- sei Set nicht zu besudeln. Respekt.
- Das Bewerfen seines Roadies mit Sticks. Ausser Mike fand das zwar niemand lustig, aber es sah cool aus. Respekt.
Resümierend muss ich erneut feststellen, dass derart gigantische Sets eigentlich nur eine schlechte Entschuldigung für unzulängliche Technik sind. Wenn man die Hände nicht schnell genug zum jeweiligen Becken bekommt, muss man eben wieder Unterricht nehmen. Das ist im Zweifel glaubwürdiger, als an jeder Stelle des Kits irgendwelche Alibi-Becken aufzuhängen. Die gewaltigen Kosten, die Transport und Aufbau eines solchen Kits verursachen, sind bei einem Trommler wie Mike Portnoy sicher nicht gerechtfertigt; besonders deswegen nicht, weil er die linke Seite, zwei der drei Snares und den Gong absolut unberührt gelassen hat. Klar, wie soll man auch ein vier Meter entferntes Becken/Tom treffen können ohne aufzustehen? Abgesehen davon, dass die Größe seines Schlagzeugs offenbar eine Art Selbstbestätigung für ihn ist, ist diese Zurschaustellung mehr als alles eine gigantische Werbeveranstaltung der Firmen Tama und Sabian, für deren Kosten wir, die Kunden, beim nächsten Einkauf wieder aufzukommen haben. Vielen Dank.
Nicht unerwähnt bleiben soll das wirklich grandiose Bass-Spiel von John Miyung; leider musste er offenbar mit Fußfesseln und verschlucktem Stock spielen, aber seine Läufe und Rhythmik waren aller Ehren wert und hätten selbst Bootsy Collins gut zu Gesicht gestanden. Bezeichnend, dass der tumbe Mob, geblendet vom 100.000-Mark-Schlagzeug, den Trommler (im Look eines Box-Champions mit Glitter-Bademantel) und nicht den Basser gefeiert hat. Noch bezeichnender, dass Portnoy das so geschehen ließ.