Die Balance gewährleisten
Claus Hessler hat sich einen Namen u.a. durch Workshops und als Dozent in der Drummerszene gemacht. Auf der diesjährigen Musikmesse in Frankfurt spielte er mit Dom Formularo, Zoro und John Blackwell zusammen.
00 Schneider fragte ihn nach einem Workshop, ob er Lust hätte, ein paar Fragen zu beantworten. Das Reslultat kann sich sehen lassen. Vielen Dank an Claus für die Zeit, die er sich für das Interview genommen hat und dass er einige Bilder zur Verfügung gestellt hat.
DF: Wann ging es los mit dem Schlagzeug?
CH: Ich habe etwa zwischen meinem fünften und sechsten Lebensjahr angefangen zu trommeln – zunächst ohne richtigen Lehrer sondern mehr einfach so für mich.
DF: Warum gerade dieses Instrument, was bedeutet es für dich?
CH: Warum Schlagzeug … na ja, es stand zu der Zeit gerade bei uns zunächst auf dem Dachboden, dann im Keller und ich kam eigentlich recht regelmäßig daran vorbei. Recht oft bin ich allerdings - statt daran vorbeizugehen - daran „hängengeblieben“ und habe einfach herumprobiert. Damals und heute hat aber kein anderes Instrument so eine Anziehung auf mich ausgeübt; ebenso ist mir vieles auf dem Drumset auch einfach „zugefallen“ – so wie ein Fisch eben schwimmt wenn man ihn ins Wasser wirft. Ich merkte recht schnell, dass es einfach mein Element ist …
DF: Ab wann professionell? Was sind die Vorteile und die Nachteile des "Jobs"?
CH: Wirklich professionell auch im „wirtschaftlichen“ Sinne arbeite ich seit 1991, also seit nun ca. 15 Jahren. Seit damals ist es eigentlich beständig für mich bergauf gegangen, obwohl man um gewisse „finanzielle Schwankungen“ in diesem Berufsfeld natürlich nicht herumkommt. Wenn man glaubt, diese gewisse Ungewissheit nicht zumindest phasenweise kompensieren und ertragen zu können, sollte man möglicherweise überlegen, ob das wirklich der passende Beruf ist. Vor- und Nachteile gibt es natürlich überall – letztendlich ist aber unter dem Strich gesehen heute sowieso kein Beruf mehr wirklich „sicher“. Auf den ersten Blick sieht das ja mit dem Musikerberuf alles toll aus: Man kann endlich seine Lieblingsbeschäftigung zum tatsächlichen Lebensinhalt machen. Daß aber auch eine Menge Disziplin und Organisation dazugehören übersieht man meistens zunächst. Und im Grunde funktionieren hier auch wieder dieselben Mechanismen:
1. Wenn Du an dir arbeitest, dazulernst, Fähigkeiten entwickelst etc. fällst Du fast zwangsläufig irgendwann die Treppe hinauf – wie im „echten Leben“ auch.
2. Wenn Du Dir für gewisse Jobs „zu schade“ bist, riskierst Du auch mal finanziellen Schiffbruch.
3. Falls Du chronisch unzuverlässig, unorganisiert und unpünktlich bist, gehen Dir bestimmte Dinge durch die Lappen. Auf jeden Fall betreibt man damit keine Imagepflege.
Ich finde es trotz aller Passion und Leidenschaft für die Musik und das Instrument sehr wichtig, eine gewisse Balance in seinem Leben gewährleisten zu können – es gibt tatsächlich Dinge in jedermanns Leben, die mindestens genauso wichtig sind wie Schlagzeugspielen … Wenn man diese Kurve nicht kriegt besteht schon die Gefahr, dass das Ganze einen auffrisst und man nur noch auf dieses eine Ding fixiert ist. Und darunter leidet möglicherweise letztendlich sogar das, was man am liebsten macht: Schlagzeug spielen in unserem Fall … Das klingt jetzt alles zwar so ein bisschen negativ und leicht spießig eingefärbt, ist aber letzten Endes einfach nur mein persönliches, realistisches Fazit aus den letzten 15 Jahren (mit dem ich nicht alleine stehen dürfte …). Könnte ich mich noch einmal entscheiden – ich würde wieder Musiker werden wollen und habe es bisher noch nie bereut.
DF: Wie siehst du die Funktion / Rolle des Drummers innerhalb einer Band / eines Projektes?
CH: Wenn es um den Drummer in der Band geht, sind die Karten einfach noch mal anders gemischt: Der Schlagzeuger muß mit seinem Instrument, seinem Sound und seinen Ideen die Musik unterstützen. Da sind zunächst mal keine Extratouren erwünscht, sondern es geht einfach nur um die Musik. Ich würde sogar behaupten, dass in diesem Moment auch Dinge wie Spieltechnik eine eher untergeordnete Rolle spielen – solange durch fehlende technische Fähigkeiten die Musik als solches nicht darunter leidet … interessant finde ich das Ganze besonders dann wenn man versucht, Wege abseits des „Trampelpfads“ zu finden und der Drumpart trotzdem nicht wie ein Fremdkörper in der Musik erscheint – für solche Lösungen habe ich persönlich eine gewisse Schwäche weil das den perfekten Spagat zwischen dem Unterstützen der Musik und dem Einbringen der eigenen musikalischen Persönlichkeit bedeutet …
DF: Wie wichtig ist die zwischenmenschliche Kommunikation?
CH: Unfaßbar wichtig – Beinahe genauso wichtig wie die fachliche Kompetenz und die musikalischen Fähigkeiten selbst. Und im Zweifelsfall werden die meisten Musiker/Produzenten lieber mit einem netten, kooperationsbereiten und umgänglichen Durchschittsmusiker arbeiten, als mit einem hochbegabten Psychopathen … keine Frage. Da muß man sich eben ab und zu selbst fragen, wie man möglicherweise auf andere wirkt und welchen Eindruck man durch das was man sagt – aber auch durch das was man nicht sagt – hinterlässt. Bekanntlich kann man ja nicht „nicht kommunizieren“ …
Dinge wie Tonfall, Gestik, die ganze Palette der nonverbale Ebene spielt da zusätzlich hinein und gibt vielleicht manchmal sogar einen größeren Ausschlag als wir normalerweise denken würden …
DF: Wie siehst du die Zukunft der Musikindustrie und was bedeutet dabei
das Medium Internet?
CH: Mit solchen Fragen tue ich mir durchaus nicht so leicht, weil es da so viele verschiedene mögliche Antworten gibt. Am ehesten würde ich sagen die Zukunft liegt im Einfallsreichtum der Musiker, die bereit sind Neues zu wagen, auch wenn man vielleicht zunächst damit auf die Nase fällt oder die Idee noch so exotisch erscheint. Eine gewisse Risikobereitschaft gehört wie schon erwähnt zum Job dazu … Das Medium Internet macht dabei die u.a. die Vernetzung und Arbeitsweise im Allgemeinen schon viel leichter und komfortabler. Daß über dieses Medium natürlich auch jede Menge grober Unfug, Käse und Halbwissen verbreitet wird, muß man dabei möglichst gelassen in Kauf nehmen …
DF: Den Tipp für das DF bzw. junge Schlagzeuger?
CH: Ich glaube den Tipp für junge Schlagzeuger schlechthin gibt es nicht … für mich ist das am ehesten eine Katalog bestehend aus unverhandelbaren Wahrheiten. Ich finde z.B. eine solide Spieltechnik, die alle stilistischen Richtungen offen lässt, total wichtig. Das ist unser Handwerkszeug – und ohne gutes Werkzeug bleiben unsere Möglichkeiten immer begrenzt. Ansonsten finde ich es sehr wichtig, sich auch ab und an einfach mal auf sein Gefühl zu verlassen, mal länger und intensiver an einer Sache zu arbeiten und nicht jedem Trend bedingungslos hinterher zu hechten. Wenn man an tausend Stricken zieht, wird man am Ende vielleicht keinen einzigen auch wirklich zerreißen. So gesehen würde ich sagen sind persönliche Ziele und die Ausdauer diese auch erreichen zu wollen sicher kriegsentscheidend.
Den Tipp für das DF?
Muß ich jetzt fast passen – obwohl ich lange überlegt habe … Was mir gut gefällt, ist die Unabhängigkeit des Forums.
Weitere Infos: http://www.claushessler.de