Ein guter Musiker ist ein guter Teamworker
Sven von Samson ist hier im Forum als drumsandbeats unterwegs. Seine qualifizierten Beiträge werden allgemein geschätzt
und als professioneller Drummer ist er in der Lage fachkundig und informativ das Forum zu bereichern. Höchste Zeit für ein Interview mit dem interessanten Forumskollegen.
DF: Seit wann spielst du Schlagzeug und warum gerade dieses
Instrument?
SvS: Die Initialzündung passierte etwa um 1980 herum, als ich eines Tages
in den Kindergarten kam und ein Erzieher sein Schlagzeug mitgebracht
hatte. Ich war sofort begeistert, was der Erzieher gemerkt hat. Kurze
Zeit später schenkte er mir mein erstes Paar Stöcke, die er eigens
für mich geschnitzt hatte. Mit diesen malträtierte ich dann etliche
Jahre lang alles, dem ich einen Ton entlocken konnte und baute mir
irgendwann das erste Schlagzeug aus Matratzen, einem Gymnastikball,
einem Strohhut und einem mit Schrauben gefüllten Plastikkoffer.
Mein erstes eigenes Set bekam ich mit etwa 12 Jahren. Zu der Zeit
ging es auch mit Unterricht los, den ich bei vielen verschiedenen
Lehrern fast durchgängig bis zum Ende meines Studiums 2002 hatte.
Warum es ausgerechnet das Schlagzeug war, das mich in seinen Bann zog
weiß ich nicht. Ich habe als Kind auch 6 Jahre lang Klavierunterricht
gehabt - parallel zum Schlagzeug. Als mein damaliger Klavierlehrer,
den ich sehr schätzte, weil er mir Blues und Boogie Woogie
beigebracht hat, die Stadt verließ, habe ich das Klavier an den Nagel
gehängt und nur noch Schlagzeug gespielt.
DF: Was bedeutet das Instrument für dich?
SvS: Das Schlagzeug hat mich fast mein ganzes Leben begleitet - genauso,
wie die Musik an sich. Ich könnte es mir nicht mehr wegdenken, da es
in praktisch jeder Lebensphase präsent war. Es war und ist mein
liebster Zeitvertreib und ständig geistern mir Grooves und
Musikfragmente durch den Kopf. Es fällt mir schwer, an einer Trommel
vorbei zu gehen und nicht darauf zu schlagen, um zu hören, wie sie
klingt und zu spüren, wie sie sich anfühlt.
DF: Kannst vom Schlagzeugspielen leben und wenn ja, seit wann?
SvS: Als ich nach meinem Studium zurück nach Göttingen und zu meiner
Familie zog, stand ich erstmal vor dem Nichts. Ich kannte noch ein
paar Leute, doch die meisten Jobs waren bereits vergeben. Ich fing
einen Aushilfsjob auf dem Bau an und versuchte mich nebenbei als
Musiker zu etablieren, indem ich mir langsam einen Schülerstamm
aufbaute und Kontakte knüpfte. Nach etwa einem Jahr, im Oktober 2003,
war ich den Job los, da nicht mehr genug Arbeit da war und ich hatte
Angst, dass ich vor einem großen finanziellen Loch stehen würde.
Jedoch ging von da an alles bergauf. Ich hatte den Kopf und den
Terminkalender frei, bekam mehr Schüler und mehr Auftritte. Seit dem
Moment kann ich allein von der Musik leben.
DF: Was macht für dich einen guten Drummer aus?
SvS: Ein guter Drummer hat gute Ohren, ist offen und vielseitig, klingt
gut, spielt selbstbewusst, hat Humor, verhält sich kollegial, ist
zuverlässig, hat eine solide Time, ist kreativ und geschmackvoll, hat
eine gute Technik und vor allem: Er ist Musiker.
DF: Was ist für Profis wichtiger, Technik oder die Fähigkeit zur
guten zwischenmenschlichen Kommunikation?
SvS: Für mich ist Musik Kommunikation. Je besser ich eine Sprache
beherrsche, desto besser kann ich mich in ihr ausdrücken und desto
anregender werde ich mich in ihr unterhalten können. Von daher wird
man nicht darum herumkommen, sich Techniken anzueignen, wenn man
seine musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten erweitern möchte.
In der Musik findet Kommunikation auf vielen Ebenen statt: Das erste
Telefonat mit jemandem, der einen Drummer für ein Projekt sucht; die
Organisationsarbeit vor Konzerten; Kommunikation während der Proben;
verbale und nonverbale Kommunikation auf der Bühne und letztlich die
Kommunikation zwischen Musikern und Publikum. Als Musiker hat man
sich einen Job ausgesucht in dem Kommunikation das A und O ist. Es
geht nunmal darum mit einer Band ein Team zu schaffen, das es trotz
aller möglichen Widrigkeiten eine gute Show auf der Bühne abliefert.
Allein mit guter Technik ist das nicht zu bewerkstelligen. Ein guter
Musiker ist ein guter Teamworker.
Ich habe es selbst oft genug erlebt, wie schnell mürrische Blicke auf
der Bühne die Show zu einem Spießrutenlauf machen können. Ebenso habe
ich erlebt, wie anspornend es ist, wenn man sich auf der Bühne
zulächelt. Durch so banale Gesten zeigt sich aber letztlich, ob auf
der Bühne ein Team steht oder nicht.
DF: Was sind deine Wünsche für die Zukunft?
SvS: Ich wünsche mir vor allem, dass ich in Zukunft weiterhin Musik machen
kann, die mich inspiriert und vorantreibt. Einer meiner Lehrer am
Conservatorium (Bart Fermie) sagte mal etwas sehr schlaues: "Musik
ist wie Wasser: Wenn es stillsteht, fängt es an zu stinken."
Sollte dieser Stillstand irgendwann einmal eintreten, werde ich mir
wahrscheinlich wünschen, dass ich doch einen bürgerlichen Beruf mit
geregeltem Einkommen gewählt hätte.
DF: Wie siehst du in diesem Kontext die Zukunft der Musikindustrie
insbesondere in Bezug auf das Internet und wie wichtig ist das Medium
Internet für dich?
SvS: Die Musikindustrie interessiert mich nicht sonderlich - schon gar
nicht die meisten ihrer Produkte. Ob das Internet die Schuld an dem
Dilemma trägt, welches die großen Plattenfirmen plagt, kann ich nicht
beurteilen. Ich hoffe jedenfalls, dass es am Ende einen großen,
reinigenden Knall gibt, der Raum und Bedarf für neues schafft.
Gegenwärtig ist das Internet das Medium schlechthin. Es hat zumindest
bei den jüngeren Generationen, Radio und Fernsehen als
Informationsquelle so gut wie abgelöst. Hier liegt natürlich eine
große Chance für Bands und Musiker sich einer großen Masse zu
präsentieren, ohne dabei von Plattenverträgen und Vertriebsstrukturen
abhängig abhängig zu sein.
Für mich persönlich ist das Internet sowohl privat als auch beruflich
nicht mehr wegzudenken. Die Kommunikationsstruktur der meisten Bands
gründet sich - zumindest was das organisatorische betrifft - auf
Email-Verteiler. Noten, Fotos und Infos sind im Nu versendet. Das ist
eine wahre Arbeitserleichterung.
Über das Internet und besonders das Drummerforum habe ich viele Leute
kennen gelernt - zum Teil auch persönlich. Das ist eine große
Bereicherung für mich, denn ich lerne dadurch ständig dazu und kann
schnell auf Erfahrungen und Informationen zugreifen.
DF: Sind Drummer anders als andere Musiker?
SvS: Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, denn auch
Drummer sind Individuen. Ich finde es zwar schon bemerkenswert, wie
kollegial sich die meisten Schlagzeuger untereinander verhalten,
glaube aber nicht, dass es das bei anderen Musikern nicht gibt.
DF: Den ultimativen Tipp für junge Drummer bzw. das Drummerforum?
SvS: Seid offen und kreativ und begreift, dass es um Musik geht und nicht
darum, wer die schnellsten Singlestrokes auf der teuersten Snaredrum
spielen kann.
Vielen Dank für die schnelle Beantwortung der Fragen und der Zusendung der Fotos, die Matthias Müller gemacht hat!