Liebe Drummergemeinde - vor allem alle Vintage Freaks wie ich!
Ich habe mal für alle Interessierten die Reparatur eines Acrylsets mitdokumentiert um so eine Anleitung mit Bildern zu erstellen. Damit bleiben euch vielleicht einige Problemchen, die ich schon hatte, erspart. Die Reparatur geht auf die Besonderheiten bei Acrylshells ein - weniger auf Chrompolieren und ähnliches, was man auch bei normalen Sets hat. Die Bilder könnt ihr mit einem Klick größer zoomen. Wenn das doch nicht geht, mailt mir einfach und ihr bekommt die Fotos. Ich habe hier nur erst mal kleinere Bilder genommen, um die Übersichtlichkeit nicht zu gefährden.
Also, los gehts...
Versuchsobjekt:
Ludwig Vistalite Clear, 70er Jahre, Größen 24*14, 14*10, 15*12, 18*16
Zustand der Trommeln 3-.
Wurden unsachgemäß behandelt, d.h. Trommeln ineinander gestapelt was zu tiefen Abschürungen und Kratzern von innen führte. Auch von aussen wurden sie nicht mit Samthandschuhen angefasst. Viele kleine Kratzer. Vor allem die BD und die 18er Standtom waren vom Acryl gesehen in einem schlechten Zustand. Kratzerflächen hatten die Abmessungen: 30cm * 3 cm und zeigten sich durch weiße Abschürfungen (siehe Bilder weiter unten). Das hätte jedem Vintage-Fan die Tränen in die Augen getrieben.
Ein weiteres Problem der Trommeln: Viele kleine Spannungsrisse, die über die Jahre in die Kessel gekommen sind. Laut Expertenaussagen stellen die kein Problem dar - wenn sie durch Bohrungen gestoppt oder "getempert" wurden (d.h. ab mit den Shells in eine Sauna und paar Stunden richtig erhitzen, so dass sich die Spannung in den Kesseln abbaut). Den einzigen langen Riss (7cm) habe ich nicht selbst repariert, sondern beim Plexiglasmeister ausfräsen und kleben lassen. Kostet 14 Euro und ist mit Sicherheit Qualitätsarbeit.
Tip für Käufer: Im Gegensatz zu mir sollte man bei so alten Sets generell vor dem Kauf ALLES begutachten, d.h. auch jedes Böckchen abschrauben. Denn die Spannungsrisse entstehen bei den Löchern im Kessel, d.h. den Böckchen, Tomhalterung, Beinhalterung der BD, etc..
Nicht so blauäugig wie ich einfach alles glauben, was der Verkäufer sagt :-). Die Risse waren zu 90% nicht sichtbar, sondern verdeckt.
Vorgehensweise:
Ich habe jeden Kessel einzeln und nacheinander behandelt. Das Komplettprogramm umfasst ein iteratives Vorgehen aus
- Schleifen grob
- Scheifen fein
- Polieren
- Abschluß-Finish-Politur
Iterativ deswegen, weil einige Feinpoliturvorgänge und Schleifvorgänge benötigt werden, um alle kleinen Kratzer zu entfernen. Dazu nachher mehr. Zusätzlich wurden danach oder davor die Risse an den Enden gebohrt und so gestoppt. Klar ist auch, dass die Kessel natürlich frei von jeglicher Hardware sein müssen und auch sonst abgewaschen und trocken.
Benutzes Material:
- Akkubohrer für die Löcher mit 2mm Bohrspitze
- Einen schnelleren Elektrobohrer für Polierarbeiten
- Naßschleifpapier 240, 600, 1000, 3200 (spezial), 8000 (spezial).
Beide letztere sind in einem Set enthalten, das ich speziell bei acrylglasprofi.de gekauft habe
- Politur für Acyrlglas
- Finish- und Reinigungsmittel
- Polierscheibe für den Elektrobohrer
- Schleifklotz aus Kautschuk
- Poliertücher aus Baumwolle
Kosten ca. 70 Euro für Verschleißmaterial.
Verwendete Technik:
Zum Bohren:
Die Risse am Ende anbohren heißt, den Bohrer an den Schluß des Risses (und wirklich der Schluß) zu setzen. Dann wird mit dem kleinen 2mm Bohrer langsam, Betonung liegt auf langsam, gebohrt. Nicht fest drücken, den Bohrer allein arbeiten lassen. Gerade durch die ganze Kesselbreite bohren. Ist das geschafft, ist der Riss gestoppt.
Hier sind mal ein vorher und ein nachher - Foto:
Vorher:
Nachher (oben ist nur bischen Baumwollfaden vom Polieren am Loch. Ihr sollt das Untere angucken :
Zum Schleifen:
Schleifen stellt die Vorstufe zum Polieren dar. Wenn ihr also nur minimalste Kratzerchen in den Kesseln habt, kann man eventuell auf das Schleifen verzichten. Normal ist das aber nöti, v.a. bei dem Alter der Sets (ausser man hat ein nagelneues Wahan). Die Körnung des Schleifpapiers und die Verwendung von Flüssigkeit (lauwarmes Wasser mit bischen Spülmittel) ist entscheidend. Während 240er Schleifpapier von mir nur für die allertiefsten Kratzer und Furchen verwendet wurde, nahm ich das etwas feinere 600er für normal tiefe Kratzer, das 1000er bei noch kleineren Kratzern und das 3200er überall wo keine tiefen Kratzer waren. Das 8000er ist Vorstufe zum Polieren.
Vorausgeschickt muss werden: Je grobkörniger, desto mehr Material wird abgetragen. Bei den Kesseln dieser Dicke macht das aber normal nichts, wenn zwischen 1/50 mm und 1 mm abgetragen wird, zumal 1 mm oder mehr nur minimal stellenweise bei der BD und der 18er Tom nötig waren. Je grobkörniger geschliffen wird, desto weniger durchsichtig ist der Kessel nach der Behandlung. Bei den folgenden Schritten wird der Kessel also nach einer anfänglichen Undurchsichtigkeit immer weiter durchsichtig.
Schritte:
1. Tiefste Kratzer raussuchen
2. Diese je nach Tiefe mit 240er oder 600er Scheifpapier bearbeiten. Dabei immer Schleifpapier naß halten, da es sonst schnell unbrauchbar wird.
3. Durch das grobe Schleifen sind jetzt die tiefen Kratzer verschwunden (sieht man wenn man die Stellen immer mal wieder abtrocknet und abwischt und man sich vorher gemerkt hat, wo die tiefen Kratzer waren). Trotzdem sind jetzt eine riesen Menge an kleineren Kratzer durch das Schleifpapier drin in der Trommel. Daher....
4. Feines Schleifen mit dem 1000er Papier (optional) oder mit 600er (wenn mit 240er begonnen wurde). Achtung: Die Ränder des Schleifgebietes immer bischen erweitern, damit dort keine Kratzer vom vorherigen, gröberen Durchgang bleiben.
5. Danach geht es mit dem feinen 3200er dran. Tiefe Kratzer sollten nun nicht mehr drin sein.
6. Abschluß mit 8000er Schleifpapier.
7. Polieren mit der Spezialpolitur (manuell oder mit Bohrmaschine samt Polieraufsatz)
Sind nach Schritt 7 noch Kratzer drin, was beim ersten Durchlauf wahrscheinlich ist, dann wird nochmal bei 4. oder 5. (je nach Tiefe) begonnen und bis 6. wiederholt. Gefinisht wird erst beim allerletzten Durchgang. Meistens ist die Ursache für verbliebene Kratzer der zu wenige Einsatz des 3200er Papiers. Meiner Erfahrung nach kann man sich manchmal auch das 8000er Papier ersparen. Fotos einer solchen Behandlung gibt es unten...
Spezielle Anmerkungen zum Schleifen:
Die einzelnen aufeinanderfolgenden Schritte sollten die Schleifrichtung immer 90 Grad wechseln, d.h. erst schleifst du mit dem 600er entlang des Kessels und dann mit dem 1000er hin zu den Gratungen und oben/unten-Enden des Kessels. Dann wieder mit dem 3200er entlang und so weiter.
Tiefste Kratzer, die nur lokal ausgebessert werden, hinterlassen evtl. eine sogenannte "Linse" im Acryl, d.h. man kann bei bestimmten Lichteinfällen zwar keine Kratzer, aber Spiegelungen im Kessel sehen. Dies ist absolut nicht schlimm (verglichen mit den Kratzern vorher). Meiner Erfahrung nach ist kreisendes Schleifen auch möglich, wenn an gewissen Eckstellen oder Ähnlichem grad nix anderes möglich ist.
Wichtig auch: Zwischen den Schritten die Trommeln waschen, trocknen und auch die verwendete Scheiflösung neu machen (Wasser + Schpülmittel), da sonst wieder Körner aus dem vorherigen Schritt reinkommen und dadurch neue Kratzer entstehen können.
Spezielle Anmerkungen zum Polieren:
Sehr wichtig: Bei der Politur kommt es auf den DRUCK an, der auf den Kessel ausgeübt wird. Wird allerdings zu lange auf einer Stelle poliert, kann sich das Material erhitzen (zu stark) und dann ergeben sich "blinde" Stellen im Acryl. Diese können durch erneutes Schleifen mit dem 3200er Papier und erneutem Polieren beseitigt werden. Ich habe beim Polieren immer erst einmal mal mit der Maschine gearbeitet, um die groben Sachen zu beseitigen. Den entstandenen Polierfilm dann feste per Hand mit Baumwolltüchern abpoliert. Danach noch die Stellen angeguckt, die noch Kratzer hatten - dann dort nochmal per Hand drauf.
Erfahrung: Von innen lässt sich ein Kessel leicht polieren, weil du ihn auf den Boden legen kannst und dann einfach draufdrückst in Richtung Boden. Beim Aussen-Polieren ist das nicht drin, da du aufpassen musst, dass sich die Shell nicht zu sehr biegt, da sonst was brechen kann oder die Klebenaht aufplatzen kann.
Zu guterletzt der Zeitaufwand:
Ich habe für Kessel mit schweren Beschädigungen (BD und 18er Tom) auch aufgrund der Größe jeweils ca. 10-15 Stunden gebraucht. Dies schließt jeweils ca. 5-6 Iterationen des Reparaturzyklus ein.
Bei den leichter beschädigten Kesseln (14/15er Toms) mit wenig tiefen Kratzern reichten mir ca. 8-10 Stunden pro Kessel. Dies resultiert daraus, dass ich kein 240er Papier nehmen musste, was einfach viel Material abträgt und dann weitere tiefe Kratzer hinterlässt, die dann mit 600er erst mal weggemacht werden müssen.
Bilder zum Schleifen:
Leichte Beschädigungen (15er Tom). Kessel ist unbearbeitet.
Nach einer Komplettschleifung mit 600er Naßschleifpapier. Der Kessel ist nicht mehr durchsichtig, sondern milchig weißlich. Auch kleine Spannungsrisse, die noch gebohrt werden müssen, sind zu sehen:
Nächster Schritt: bischen mit dem 1000er und dann vor allem mit dem 3200er Papier. Der Kessel wird langsam wieder durchsichtiger.
Danach werden die Kessel poliert (ist zwar die BD, aber egal). Ein weißlicher Film ist nun auf der Trommel:
Nachdem dann der Kesse (auf dem Foto der 18er)l nach etlichen Iterationen endlich mit dem Finishmittel behandelt wurde, sieht es so aus. Oben sieht man noch einen tiefen Kratzer, der nachträglich noch extra behandelt wurde (siehe unten).
Zurück zum 15er Kessel: Nachdem der auch poliert ist, gefinished ist und die Hardware wieder dran ist und alle Spannungsrisse angebohrt wurden, sieht er so aus:
Dieser Kessel (15er) ist ein Beispiel für das KOMPLETTE Schleifen. Bei der BD habe ich das nicht gemacht, weil die stellenweise in einem sehr guten Zustand war. Wie gesagt... stellenweise. Dann sieht das nach dem ersten Schleifen so aus:
Danach das Schleifen mit dem 3200er über den GANZEN Kessel, um auch kleine Kratzer in den besseren Regionen der Trommel rauszubekommen:
hier ist zum Abschluß nochmal ein Beispiel für einen tiefen Kratzer und wie er durch Verwendung der Kombi 240-600-1000-3200er Schleifpapier herausgeschliffen wird. Der zu sehende Kratzer war noch viel breiter und schlimmer, ist auf dem Foto schon im Zustand nach einigen Iterationen zu sehen. Also stellt euch vor, wie das Set ausgesehen hat
Vorher:
.
Zu Beginn sah sowas mal so aus. Die in der Mitte zu sehende Fläche ist ca. 2cm*4cm groß. Solche gabs über den ganzen Rand verteilt.
Nachher:
.
Man erkennt nichts mehr von dem vormal tiefen Kratzer in der Tom.
Sonstige Empfehlungen:
Diese Reparatur ist Schwerstarbeit. Viel Kraft und Ausdauer wird benötigt. Trotzdem lohnt es sich. Aber vorsicht beim Polieren: Die Kessel nicht zu sehr mit Druck belasten - oder zumindest höllisch aufpassen.
Zum Ende meiner Restaurationsarbeiten habe ich dann noch die Stahlspannreifen durch Holzpendants ersetzt - diese musste ich jedoch noch abschleifen und neu lackieren. Dann noch das passende Silver Sparkle Inlay besorgt und verklebt: Und schon sieht es aus wie neu, das gute Stück. Zusammen mit dem nagelneuen Frontfell mit originalem Schriftzug wirkt es wieder authentisch wie eh und je.
Wenn du nach der ganzen langen Zeit, den etwa 60 Stunden Arbeit, mit dem Set eine innige Beziehung aufgebaut hast und es mal fertig ist, dann sieht es hoffentlich so aus:
So, ich hoffe, das war eine lehrreiche Übung zum Thema "Set restaurieren". Mich hat es viel Kraft gekostet, sich aber im vorher-nachher Vergleich rentiert. Ausserdem mussten die Bohrungen gemacht werden, um die Risse zu stoppen.
Fragen? Kontaktiert mich einfach oder postet hier in den Thread,
An alle Mods : Bin ich jetzt endlich im Untertitel "Vintage-Restaurierer"? *G*
bye
Ludwig {der Name verpflichtet}