Jazz und mehr an Orgel und Drums
Wolfgang Roggenkamp begleitete auf der Musikmesse in Frankfurt unter anderem Armin Rühl an der Hammond-Orgel. Doch er ist auch ein virtuoser Drummer, wie er z.B. zusammen mit Gerald Stütz auf den Messeständen von Wahan und Bosphorus zeigte. Ein Gespräch mit dem freundlichen Musiker, der eben nicht nur Drummer ist, verdeutlichte seine klare Meinung zu einigen Entwicklungen in der Musikszene, die er unmisverständlich ausdrückte. Mit seiner Meinung steht er sicherlich nicht alleine da, denn die tumbe Aura des "Gangsta" nervt und veranlasst so manchen, MTVVIVA zu boykottieren.
DF: Wann ging es los mit dem Schlagzeug? Warum gerade dieses Instrument?
WR: Ich fing mit sieben Jahren an, mein Bruder hatte eine Beatlesplatte mit nach Hause gebracht, das 2.te Album "With the Beatles". Ich habe diese Platte an diesem Tag so um die 16 mal gehört und dazu auf einem selbstgebauten Schlagzeug aus Waschpulvereimern und Töpfen gespielt. Dieser Beatlessound, der ist bei mir hängen geblieben, der hat mich erreicht. Es war nicht nur Ringo, es war die gesamte Musik. Das war 1977, da gab es die Beatles schon sieben Jahre nicht mehr, aber die Musik begeisterte mich, das kann man nicht erklären. In dieser Musik lag eine Magie.
Dieses selbstgebaute Schlagzeug "verfeinerte" sich dann etwas - so wurde
die erste Fußmaschine dann aus Fischertechnick gebaut. Nur, meine Maschine funktionierte falsch rum, wenn du draufdrücktest, ging der Schlegel weg von der Trommel, wenn du losließt, ging er zurück. Nach einem Jahr fand ich dann endlich heraus, wie eine Hihat funktionierte.
Irgendwann bekam ich ein Foto in die Hand und konnte genau nachschauen, wie so ein richtiges Schlagzeug aussah. Mit einem Holzstab und zwei Blechdeckeln baute ich dann meine erste Hihat. Die funktionierte richtig herum.
Na ja, so ging es dann weiter, bis dann irgendwann der ersten.Auftritt (mit einem richtigen Schlagzeug) im Alter von 12 anstand. Die Liebe zu diesem Instrument kam doch während der Kindheit und hat bis heut nicht nachgelassen.
DF: Ab wann professionell?
WR: Mit 16 bin ich der Musik wegen ausgezogen, seitdem lebe ich davon. Ich begann ein Klassikstudium als Jungstudent am Konservatorium Osnabrück. In dieser Zeit kamen unterschiedlichste Auftritte und Aufnahmen dazu (z.B. eine frühe mit Helmut Hattler).
Nach 3 Jahren Klassikstudium wechselte ich zu einem Jazzstudium nach Essen / Folkwang. Nachdem ich in Bremen an der Hochschule der Künste einen Lehrauftrag für Jazz-Schlagzeug übernahm, Charly Antolini wollte nicht mehr, ging ich 1996/97 nach Boston an das Berklee College und löste mein Stipendium ein. Auch dort vor Ort wollen die Brötchen erworben werden , nach ca. 2 Monaten aber lief das Ganze schon recht rund.
Es war für mich eine wirklich tolle Zeit, in denen viele neue Eindrücke dazu kamen.
Die vielen Fotos mit Musikern und Situationen kann man auch auf meiner Homepage " http://www.wolfgangroggenkamp.com " mal "durchblättern".
DF: Was macht einen guten SChlagzeuger aus?
WR: Das sind viele Tugenden. Allen voran gehört sicherlich eine gesunde Körperverfassung zu unserem Beruf . Das Schlagzeug will auf- und abgebaut werden, dafür braucht man schon eine gute Gesundheit.
Der Drummer sollte seine Mitstreiter, die vor und neben ihm auf der Bühne stehen, respektieren (genauso, wie wir selbst auch mit unserem Tun respektiert werden möchten). Er sollte ein großes Maß an Dynamik besitzen. Ein Jazzdrummer sollte seine Mitmusiker ständig inspirieren. Ein solides Timing ist Grundvoraussetzung. Außerdem muss man sehr aufmerksam sein, was passiert und sollte sich über die Funktionen der Musik im Klaren sein.
Es behagt nicht gerade, wenn ich einen Drummer erlebe, der mit seinen Fills alles kaputtmacht. Ich möchte einen soliden Groove / Swing hören, den Drummer auch mal lächeln sehen, so dass eine gute Stimmung rüberkommt. Ein guter Drummer sollte ein Gespür für Stimmungen haben.
DF: Sollte ein Schlagzeuger einen ausgleichenden Charakter haben?
WR: Nun, in der Ruhe liegt die Kraft. Schlagzeuger sind oftmals gute Ansprechpartner. Also, ich war oftmals derjenige, der irgendwo bei Unpässlichkeiten oder Streitigkeiten vermittelt hat - aber auch viele Bälle an den Kopf bekam. Ich habe dann die meisten Sachen auf mich genommen, wenn es Ärger gab. Du bist immer der erste und der letzte auf einem Gig, wir freuen uns natürlich, wenn da ein Roadie hilft, dann schwitzen wir etwas weniger (jedenfalls ,was das Equipment angeht....).
Du musst eine Ausgeglichenheit mitbringen, eine gewisse Größe. Du musst den Laden zusammenhalten. Der eine kann das sofort, der andere braucht ein paar Jahre, bis er das kann.
Letztendlich brauchst und bekommst du eine Menge Erfahrung. Die Persönlichkeit des Drummers macht auch seinen Sound aus. Außerdem muss er vergeben können, egal ob kleiner oder großer Stress. Nur im Solo ist eine gewisse Form des Egos gefragt. Du kannst das Ego nicht ganz zurücknehmen, aber, man darf damit
nicht jedem rechts und links ins Gesicht schlagen.
DF: Wie würdest du das Verhältnis Technische Fähigkeiten gegenüber Fähigkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation beschreiben?
WR: Die technischen Fähigkeiten eignet man sich am Besten recht früh an. Ich meine damit die Fähigkeit, sich recht flink und locker am Set bewegen zu können. Das ist das, was wir im Proberaum üben können, die Beschäftigung mit diesem Instrument.
Um davon leben zu können, musst du Respekt haben, du musst deine Mitmusiker respektieren. Respekt und Offenheit ist die Guideline. Offen sein, offen bleiben und das auch an andere weitergeben. Das Zwischenmenschliche sollte dochwichtiger sein als unsere unglaublichen ParaParadiddles.
Ich hatte Phasen, in denen ich technisch sicherlich mehr fokussiert war, aber, ehrlich gesagt, interessiert mich das nicht mehr so sehr. Mich interessieren andere Dinge, durch das professionelle Spielen habe ich ein anderes Gefühl bekommen. In diesem Beruf haben wir es immer mit Menschen zu tun.
DF: Du spielst ja auch Orgel, auf der Messe bist du ja z.B. mit Armin Rühl in der Festhalle aufgetreten.
Wie ist das Verhältnis zwischen Orgel und Schlagzeug bei dir?
WR: Momentan so 50 zu 50. Wobei ich zur Zeit das Schlagzeug lieber mag, aber, das ist letztendlich Phasenabhängig. Die Hammond zu tragen ist schon so ein Ding...Im Laufe der Jahre wird man durch das Tragen dieses Monstrums stärker. Wenn ich da so an die ersten Gigs denke, ich war danach immer völlig fertig. In den schwierigsten Momenten musst du sie eben wieder selber ins Auto packen. Die lieben Musikerkollegen können da schon mal "trallafiti" gehen, nein - es ist schon immer ein auch lustiges Zusammensein mit so einem " Holzschrank."
Jedenfalls gibt mir das Spielen zweier Instrumente schon auch eine angenehme Abwechselung und eine Auffrischung. Aber, es ist auch nicht immer so ganz einfach, alles will "gepflegt" sein, um es moderat auszudrücken.
DF: Wie siehst du die Zukunft der Musikindustrie auch im Hinblick auf das Medium Internet?
WR: Wir haben eine Menge Wellen gehabt, es wird wohl evt. wieder besser. Das Jammern in den letzten Jahren war zwar berechtigt - der normale Platten/CD Markt ist ja irgendwie fast weggebrochen - aber das Jammern bringt nichts.
Ich habe den Eindruck, es wird schon fast wieder besser. Ich finde, Techno hat vieles kaputtgemacht! Rap und Hiphop haben auch viel kaputtgemacht. Vor diesen Einflüssen hatte die Musikwelt eine andere Schwingung. Ich mag viele Dinge, but- " I don't give a fuckin dime what these 50 cent asses have to offer us".
Ich finde, wir haben hier in Deutschland viel zu viele Jugendliche, die dieses Zeug ungefiltert übernehmen. Ich bin kein Fan dieser"Gangsterattitüde", aber, ich habe Ohren. Was ich bemerkt habe, ist viel fehlender Respekt. So ist der Respekt im Umgang miteinander in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen, auch der Respekt vor Jazz. Jazz lehrt Dich, zuzuhören.
Ich würde mich über die Rückkehr von Melodien und MUSIK freuen - diese Videos auf MTV sind größtenteils ja nicht mehr zu ertragen. Wie gesagt, warum müssen wir diesen Gangster- Scheiß hier ungefiltert serviert bekommen? Was das mit den ganzen Hirnen da draußen macht...
Ich bin jetzt 35 und mache seit 19 Jahren professionell Musik und habe doch so Einiges erlebt und mitbekommen, war immer sehr an schwarzer Musik interessier t- aber: wissen diese Typen eigentlich noch, was vorher für fantastische Musik da war?
Aber - zur Zeit gibt es aber doch viel mehr Möglichkeiten durch das Internet. Aber Internet hin und her - wichtig ist , Geschmack zu entwickeln und zu wissen, was vorher da war, wie die Geschichte ist. An Musik, die heute so bei uns im Radio läuft, mag ich z.B. das, was Xavier Naidoo und mit ihm der Ralf Gutske, macht. Mir gefällt diese Musik.
Mir wäre es lieber, wenn die Bands und Musiker länger und langfristig aufgebaut würden wie in der Vergangenheit. Mit diesem "Fast Food"-System geht es nämlich auch nicht weiter, diese Castingsache mit z.B. Bohlen hat eine Menge schlechte Einflüsse gehabt. Dieter Bohlen ist eigentlich so eine deutsche Krankheit.
Irgendwie ist es wohl so, dass Jazz immer eine Nische für Talent ist.
Für diese Richtung brauchen wir mehr Talentscouts- Ich war 96/97 in den Staaten und habe dort einige Leute bemerkt, die nach Talenten Ausschau hielten. Talent und Können sollte bei uns weiter mehr gefördert werden und- etwas bedeuten. Wir haben tierische Musiker und tierisch gute Drummer hier, von denen leider keiner
etwas hört und deswegen geht auch kaum jemand in deren Konzerte. Das Internet kann hier etwas Gutes bewirken. Mit diesem Medium kann man- wenn man gut damit umgeht - etwas auf die Beine stellen, wie auch z. B. Ihr mit Eurem Drummerforum.
DF: Den Tipp für das DF?
WR: Kommuniziert miteinander, tauscht euch aus, trefft euch mit mehreren Kollegen und Sets im Proberaum und spielt zusammen, groovt zusammen, habt Spaß zusammen und lernt voneinander. Ein Bassist sollte immer gerne bei solchen Aktionen mitmachen dürfen.
DF: Danke an Wolfgang für das Interview, die Fotos und die Nachbearbeitung trotz Computerprobleme!