Band Coaching und Zielstrebigkeit?

  • Nach diversen Jahren musikalischen Schaffens stehe ich nun vor einem Problem, was ich so bis jetzt noch nicht kannte:
    Ich habe eine neue Band, bis jetzt sind wir ein Quartett. Von de Vieren haben 2 Leute noch gar keine Banderfahrung. Über Ziele und Musikstil haben wir uns soweit geeinigt und die Jungs hauen mir Hammerriffs um die Ohren. Das meiste, was wir machen geht richtig nach vorne und es rockt ordentlich. Soweit das Gute an der Sache.
    Nach 2 Monaten stehe ich aber vor einem Problem: Wir kommen nicht auf den Punkt. Die Ideen sind gut und motiviert sind wir alle. Aber je mehr am Material arbeiten, desto mehr fühle ich mich wie ein kleiner Schuljunge, der nicht weiß, wie man der der Nachbarin klar macht, das man an ihr interessiert ist. Bei diversen Songs steht das Konzept, das Hauptriff ist auch da, aber auf das Gerüst würde sich kein volltrunkener Maurer trauen - es fällt immer zusammen wie ein Kartenhaus und wir hinterfragen fast jede Probe unsere Konzepte.
    Bis jetzt war das nie ein Problem, weil die meisten meiner Bands eine kreative Eigendynamik hatten, aber jetzt frage ich mich, wie man in so einer Situation Einfluss nehmen kann und die Kreativität fördern und vor allem in die richtige Bahn lenken kann, so dass auch mal ein Ergebnis bei herumkommt, was Substanz aufweist.


    Irgendwer eine Idee?

    "I'd rather eat my own shit than do a duet with James Blunt" (Paul Weller)

  • Ähnliche Situationen auch schon zur Genüge immer mal wieder erlebt:


    Zunächst: Als Drummer wirst du nur wenige Möglichkeiten haben, auf die Kreativabteilung in Sachen Harmonien/Melodien einzuwirken, es sei denn, du spielst gleichzeitig ein Harmionieinstrument oder kannst komponieren.
    In dieser Hinsicht bleibt einem als Drummer zunächst nur dir Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass das, was die anderen entwickeln, entsprechend konserviert oder arrangiert wird:


    Sorge dafür, dass die Stücke konsequent zu Ende gedacht und komponiert werden. Fällt den Jungs nix ein, wie sie ein Stück komplettieren können, oder ist zwar der Grundriff da, es will sich aber einfach kein Stück ergeben, sorge dafür, dass ihr euch nicht verzettelt durch gleichzeitige Arbeit an zu vielen Stücken, sondern konzentriert Euch nach und nach auf eins nach dem anderen:


    1. Macht Euch zunächst einen festen Plan, was ihr auf der nächsten Probe spielen wollt. Aufgabe für alle muss sein, sich etwas sinnvolles für die Probe für dieses eine Stück zu überlegen. Testet dann auf er Probe die Vorschläge. Ist den Jungs zu Hause nix eingefallen, versucht etwas auf der Probe gemeinsam zu entwickeln. Tauscht Ideen aus oder aber, ist immer sinnvoll, nehmt die Parts, die ihr habt, als Grundlage für ne Jam und seht, was passiert, oftmals ergibt sich was aus dem Jam. Aber immer am Stück bleiben.


    Wenn das Stück auf diese Weise (also weder zu Hause noch auf der Probe/jammen) einfach nix werden will, packt es unter die Rubrik "Ideen", nehmt es auf, damit es bei Bedarf wieder rausgekramt werden kann. Wenn auch keine fertigen Stücke dabei rauskommen, sammelt ihr nach und nach zumindest ein Arsenal an Ideen, die sich die Jungs mal mit nach Hause nehmen können, um vielleicht was anderes zu entwicklen. Oder aber beim übernächsten Stück fehlt euch ein Part, ihr seht in euer Archiv und siehe da, ihr nehmt was aus dem Archiv, transponiert es und baut es in das neue Stück ein.


    (Manchmal ist es ja auch so, dass ne Idee "reifen" muss. Ich kenne Stücke, die lange gelegen haben, wollten einfach nicht funktionieren, bis einer nach einem halben Jahr auf ne zündende Idee kam, wir anderen hatten das Stück schon längst vergessen, und: voila, mit den neuen Idee war das Ding in einer Stunde fix und fertig.)


    So macht ihr das Stück für Stück: Für jede Probe 2 Stücke vornehmen, das dann 3 Proben durchziehen. Klappts nicht (siehe oben) IMMER zu den nächsten 2 Stücken übergehen. Und immer die Ergebnisse konservieren (aufnehmen).


    2. Achte im übrigen als Drummer drauf, dass die Jungs sich auf den Proben nicht verzetteln. Versuche, als Arrangeur zu agieren. Hör dir alles genau an, vernachlässige zur Not deinen Drumpart und sorge dafür, dass (in deinen Ohren) gute Ideen auch tatsächlich ausgebaut werden. Vielleicht brauchen deine Mitstreiter einfach einen Bandleader, der die Ideen bündelt, bewertet und in die richtige Richtung schiebt.


    3. Sollte das aber alles auf Dauer nicht funzen, muss man eventuell zu der Erkenntnis kommen, dass einige der Bandmember ja vielleicht ganz nette Kerle sein mögen, auch motiviert, aber eben keine Ideen entwicklen können. Das gibts, nicht jeder ist ein Songwriter/Stückeschreiber. Dann muss man sich ernsthaft überlegen, ob das alles Sinn macht. Letztlich muss, wollt ihr weiterkommen, die Chemie stimmen und stimmen tut sie nur, wenn die Musiker sich gegenseitig "befruchten". Gibts keine Früchte, muss man woanders säen und ernten.


    Hoffe, etwas geholfen zu haben.


    Seelanne

    "Pommes/currywurst hat einfach seine eigenen Gesetze."
    (c) by frint / 2008


    "Es macht so viel Spaß, ein Mann zu sein, das können sich Frauen gar nicht
    vorstellen!" (c) by Lippe / 2006

    Einmal editiert, zuletzt von Seelanne ()

  • ... hehe, war gestern abend (heute morgen) zu faul, um noch was zu schreiben, aber viel ist dem Kommentar vom lieben seelanne nicht mehr hinzuzufügen.


    Bei meinem St.Quentin Trupp (allesamt workaholics) hat die 'wir erabeiten Songs gemeinsam bei den Proben'-Nummer gar nichts gebracht.
    Einerseits, weil für die Musikrichtung (Prog), die wir spielen, die 'Kompositionschemie' (also der Background aller Beteiligten) nicht übereinstimmte, andererseits, weil es unheimlich langwierig ist, einen Song in der Form in dieser Art von 'Demokratie' fertigzustellen.


    Haben diesen Arbeitsweg dann relativ schnell über Board geworfen und derzeit kümmern sich primär mein Gitarrero und meiner einer um Kompositionen, Arrangements etc.p.p.
    Songs werden quasi fast komplett vorarrangiert in Cubase, inkl. Lead-Gesang und Chören; die 'Band' kriegt dann davon Abzüge zum Vorabeinstudieren und geprobt werden die Sachen dann gemeinsam, bis es paßt. Im Proberaum werden dann auch die letzten Feinheiten, welche sich eventuell doch nicht gut anhören, ausgemerzt.


    Bei einigen der Vorabarrangements treffen sich dann mein Gitarrero und meiner einer dann zum gepflegten PoFi im Proberaum. ... und damit wir noch was schneller vorankommen, hab ich die im Thread
    http://www.drummerforum.de/for…d.php?threadid=13037&sid=
    erwähnten 'Methoden' zusammengefaßt. Haben bislang sogar schon geholfen.


    Ihr solltet, wenn denn möglich, bei den Ideen an denen ihr euch festbeißt oder eventuell nicht gegenseitig euch erklären könnt, was ihr von dem anderen erwartet, mit Beispielen arbeiten. Meiner einer hat immer einen MP3 Player dabei, um für'n Notfall was auspacken zu können.


    Was Seelanne gesagt hat in Sachen 'zuhören, was die anderen machen' kann ich nur unterstützen.
    Gerade als Drummer ohne Harmoniewissen; kommt oft genug vor, daß ich der einzige bin, der sich noch an kleine Variationen von vor x Proben erinnert oder die Parts / Linien der anderen kennt, weil ich versuche auf 'alle' anderen (Bass, Gitarre, Gesang, Backings) zu achten, während die anderen, wenn's knifflig wird, sich primär auf sich und die Drums konzentrieren. Hab ich schon oft innerhalb der Bands erlebt, in denen ich gespielt hab.


    *spritz*
    Malle

    "If I hadn't played PacMan when I was younger, I wouldn't have eaten my hamster"

    Einmal editiert, zuletzt von mallorca ()

  • Ich möchte eben erwähnen, daß ich die Konzepte von Seelanne und Mallorca nur unterstützen kann. Aus euren Tips kann ich sicher auch noch ne Menge mitnehmen.
    Ich bin zwar in der glücklichen Lage, kreative Saitenzupfer in der Band zu haben, aber manchmal hängts halt. Da ich mir einbilde, ein gutes Gehör für Arrangements zu haben, versuche ich, so gut es geht meine Einflüsse mit in das Arrangement einzubringen. Da ich mich ja mit Harmonieen kein Stück auskenne, versuche ich mich durch "Du weißt schon, so da da daaaaaaaa da Dööööong....) (Melodievormach)" einzubringen. Denn ich weiß meistens, was ich dazu spielen würde, und danach versuche ich den rest zu arrangieren.
    Ich hab mir jetzt auch angewöhnt, mein Laptop und mein Oxygen8 mit in den Proberaum zu nehmen, dann kann ich nämlich mit FruityLoops schnell die Melodie arrangieren, die ich versuche, den anderen sonst vorzuträllern.

    [color=#000000][b][size=8]Schießbude
    In meinem Herz schlagen zwei Brüste.

  • Zitat

    Original von mallorca
    .............. andererseits, weil es unheimlich langwierig ist, einen Song in der Form in dieser Art von 'Demokratie' fertigzustellen.
    ..................... Songs werden quasi fast komplett vorarrangiert



    Yes, Demokratie in einer Band ist in Bezug auf Ideen-Entwickeln schon immer Mist gewesen. Demokratie bedeutet, dass alle die Verantwortung tragen: Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass, wenn alle die Verantwortung tragen, sie am Ende keiner mehr trägt.


    In Sachen Komposition muss immer eine gepflegte Monarchie herrschen. Kompositionen/Stückeschreiben ist ne sehr individuelle, gefühlsmäßig konzentrierte Angelegenheit, zuviel Köche verderben hier den Brei. Bei allen großen Bands gings genauso: 1, 2 Personen haben die Stücke geschrieben, der Rest vollendet durch Ideen zum Arrangement oder indem man die Schreiberlinge auf weitere neue Ideen bringt.


    Und Mallorca hat Recht: Proben sind zu kurz, als dass man auf Ihnen die Grundlagen erarbeiten kann (es sei denn ein Zufallstreffer durch Jammen). Schließlich kommt ein jeder auf die Probe und hat bereits einen Arbeitstag hinter sich mit allem was dazu gehört. Da fällt es zuweilen schwer, kreativ zu sein. Chester, vielleicht sollte ihr mal am WE proben oder Euch ne Woche auf einen einsamen Bauernhof zurückziehen, dann habt ihr einfach mehr Muße, vielleicht klappts so.


    Aber vielleicht seid ihr einfach auch zu schnell: Kunst egal in welcher Form entsteht ja immer in drei Phasen: Zunächst dem spielerischen Entwickeln von Ideen, dann der selbstkritischen Überprüfung, obs was taugt und anschließend der Schliff, das Rundmachen. Aber vielleicht liegts ja auch gar nicht an den letzen beiden Dingen, sondern daran, dass Ihr Euch bei der ersten Phase nicht genug Freiraum lasst: Will sagen, es kommt schon mal vor, dass man vor lauter Sucht, ein Stück zu machen, Ideen vorzeitig beerdigt nach demMotto "das ist gut, das nehmen wir" und zu schnell den Ideen-Hahn zudreht. Auch das wäre mal ne Überlegung wert.


    In diesem Sinne
    Seelanne



    Idith meint im übrigen, Burning liegt richtig: Seltsamer Weise haben Drummer tatsächlich in der Regel ein gutes Händchen für Arrangements. Vielleicht liegts daran, dass Drummer in Sachen Harmonien/Melodie oftmals eher als Außenstehende agieren und sich daher einen kritischeren Blick erhalten können und deshalb nicht den Überblick verlieren, weil sie nicht damit beschäftigt sind, sich im Detail zu verlieren. Das würde dann auch erklären, dass die Drummer, die selber richtig komponieren können, oftmals auch in die gleiche Falle geraten, sprich, uninspiriertes Zeuch abliefern.

    "Pommes/currywurst hat einfach seine eigenen Gesetze."
    (c) by frint / 2008


    "Es macht so viel Spaß, ein Mann zu sein, das können sich Frauen gar nicht
    vorstellen!" (c) by Lippe / 2006

    2 Mal editiert, zuletzt von Seelanne ()

  • olla,


    in Sachen 'Arrangements' ist übrigens immer noch die gute alte 'Kompositionsanalyse' ein sehr hilfreiches Mittel, um einen etwas distanzierteren Blick auf ein Stück zu kriegen.


    Oft sind es nicht die üblichen " Intro, 1/2Rerain-Intro, Strophe, Bridge, Refrain, Strophe ... blabla ABABAABCABBD " Analysen, die einem helfen können, wenn es verzwickter wird, sondern die, wo man wirklich pro Instrument die Figuren, Linien, Motive, Hooks analysiert, auf einem langen breiten Blatt festhält, farblich hervorhebt und dann sehen kann, wo man den roten Faden verliert, wo zu wenig Hooks sind, wo das Stück an Dynamik verliert, aufgrund von den benachbarten Parts (... daher Kompositionsanalyse... gab's mal früher im Musikunterricht, bevorzugt bei klassischen Stücken, gell?)...


    Auch bei Songs gibt es (wie im guten alten Deutsch, Englisch oder Musikunterricht) einen climax, wendepunkte, conclusio - wenn man denn in diese Richtung arbeitet. Oft wird, was nicht wirklich ein Fehler sein muß, nach dem Prinzip 'wir spielen Strophe', 'wir spielen Refrain' gearbeitet; gerade wenn man dann quasi Block für Block nur 'kopiert' und hin und herschiebt, verlieren Stücke gegen Ende an Dynamik und worst case Character/Feeling. Live kann man das auch mit 'dann spielen wir den letzten Refrain eben doppelt und lauter' zwar kaschieren, aber es geht doch auch anders.


    Sodele, ist ja 'n richtig feiner Thread hier bisweilen :)


    Bin aber wohl was abgedriftet... bzgl. des Gefasels von da oben: solche Dinge kann man wesentlich einfacher arrangieren, wenn man alleine oder zu zweit daran arbeitet. Persönlich würde ich maximal mit zwei weiteren Personen komponieren im stillen Kämmerlein, wenn diese denn dann sich für Harmoniesachen die Bälle zuwerfen können und ich den Fokus auf Rhythmik und Arrangement habe etc. - Aber zum einen habe ich das noch nicht ausprobieren können, zum anderen dauert es noch eine Weile, bis ich wirklich dazu komme, diese Konstellation zu testen.


    *eswinkt*
    *wasstinkt*
    *wave*
    Mallöö

    "If I hadn't played PacMan when I was younger, I wouldn't have eaten my hamster"

    2 Mal editiert, zuletzt von mallorca ()

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