Ein schriftlicher Versuch der Erklärung für Schüler (und Eltern). Mündlich geht das einfach nicht, habe ich heute wieder gesehen.
Was denkt Ihr darüber; gibt es etwas zu ergänzen / zu korrigieren / zu verbessern? Danke für Eure Antworten.
...Es ist wieder passiert. Und diesmal ist sogar sofort der Rückzug des Interessierten und Schüleranwärters (seitens der Eltern) in Erwägung gezogen worden. Und vielleicht sogar zu Recht!? Und nur weil ich als Lehrer das Wesentliche des Unterschieds zwischen elektronischem ("E") und akustischem ("A") Schlagzeug-Instrument erwähnt habe... Dieses Dilemma ist jetzt so oft aufgetaucht, daß ich mich entschlossen habe, diesen Aufsatz zu verfassen.
In meinem privaten Schlagzeugunterricht kommen öfters Interessenten zu mir und sagen sie würden gerne "Schlagzeug" lernen und hätten auch schon ein E-Drum-Set für ihre Mietwohnung angeschafft. 'Ja, moment mal', erwidere ich dann, 'wenn Du ein E-Drum-Set hast, dann lernst Du zwangsläufig NICHT "Schlagzeug" im herkömmlichen Sinne eines akustischen Instruments'.
Das kommt daher, daß die elektronische Simulation kein Schlagzeug wirklich ersetzen kann und eben wesentlich weniger ein Ähnlichkeits-Verhältnis aufweist wie z.B. bei der A- und E-Gitarre. Einen ahnungslosen Schüler (oder auch Eltern) dahingehend nicht aufzuklären wäre meiner Meinung nach nicht verantwortungsvoll, denn ich würde wesentliche Aspekte verschweigen :
So ist es nun mal generell Fakt, daß derjenige, der ausschließlich (jahrelang) auf E-Drums gelernt und geübt hat, definitiv keine A-Drums zu spielen vermag oder besser gesagt auf einem akustischen Schlagzeug nicht gut klingen kann. (Umgekehrt ist es weit weniger dramatisch.) Warum ist das so? :
Abgesehen vom teilweise sehr unterschiedlichen Spielgefühl (z.B. Metall-Becken vs. Gummi-Pads) liegt es im Wesentlichen an der Übersetzung von der Spiel-Bewegung und Art und Weise des Anschlagens in den Klang. Eine akustisch klingende Spielfläche (und sei es eine Holzplatte) wird immer genau die darauf ausgeführte Bewegung und Anschlagsweise mit dem unmittelbar zu vernehmenden akustischen Feedback abbilden. Eine E-Drum-Spielfläche (z.B. ein Becken-Gummi-Pad) wird hingegen vereinfacht gesagt bei "Triggerauslösung" immer ein und denselben Klang ausgeben und lediglich mit diesem "einen" Klang dynamisch reagieren (Lautstärke-Unterschiede). Wenn ich mir beispielsweise vorstelle wie viele (ich nenne es mal) "lebendige Gesichter" eine akustische Hihat (die beiden aufeinanderliegenden Becken mit abgestopptem, geschlossenen Klang und dagegen geöffnetem, ausklingenden Klang) durch unterschiedliche Anschlagsweise haben kann, wie viele musikalisch relevante Unterschiede es dadurch gibt, ist eine E-Hihat hingegen ein Ding, was dahingehend kaum oder keine Gemeinsamkeiten aufweist. Bei akustischen Trommeln vs. E-Drum-Pads verhält es sich mehr oder weniger ähnlich. Eine echte Trommel wird mit guter Spieltechnik gut klingen und eine schlechte oder falsche Anschlagsweise sofort aufdecken, einem E-Pad hingegen ist es vom elektronisch ausgegebenen Klang völlig egal, ob ich es mit geeigneter Methode (guter Technik) spiele, oder ob ich ungeeignete (z.B. krampfartige, steife) Bewegungen darauf ausführe.
Was sind also die Gemeinsamkeiten zwischen A- und E-Drums, und was kann ich denn mit E-Drums (vielleicht auch speziell?) lernen? :
- Nun, also ganz abgesehen vom erzeugten Klang, werden beide Arten das gespielte "Timing" (die zeitlichen Abstände zwischen Anschlägen) abbilden. Und da gilt natürlich auch : nur die geeignete, richtige Spieltechnik wird "gutes Timing" ermöglichen, egal ob "A" oder "E".
- Und, wie bereits erwähnt, auch Lautstärkeunterschiede können beide, wenn auch nicht gleichwertig : ein akustisches Instrument übersetzt auch da natürlich authentischer.
- Genauso können vor allem großmotorische Bewegungsabläufe trainiert werden, die für beide Arten ("E" und "A") gleichermaßen wirken (z.B. gespielte Wechsel von Komponenten innerhalb des Drum-Sets).
- Rhythmik und Rhythmuslehre kann an beiden Arten gelernt und entwickelt werden.
- Generell Musikmachen für viele Genres und Stilistiken kann man mit beiden Arten ; andererseits gibt es aber auch Unterschiede bei diversen Stilistiken aus diversen Gründen. So wird in den meisten Fällen z.B. ein Jazz-Drummer bestimmt kein eklektronisches Instrument spielen wollen (da es da an der Übersetzung der meist filigranen Spielweise volkommen mangeln würde), und ein Disco- oder ElectronicDanceMusic-Drummer wird die Möglichkeiten von E-Drums schätzen.
Was mich zu den Spezialitäten und Features eines E-Drum-Sets führt :
- Man kann Klänge sofort virtuell ändern und eben Klänge spielen, die von herkömmlichen Trommel- und Becken-Klängen abweichen. Das "Musikmachen" wird dadurch ohne viel Aufwand reicher an Möglichkeiten; es ist oft einfacher, tolle gesamtmusikalische Ergebisse herzustellen und ergibt bei vielen Spielern einen großen Spaß-Faktor!
- Das Spielen zu Musik ("Playalong") ist einfach und preisgünstig realisierbar und klingt durch das Ertönen von Playback-Musik und gespielter Schlagzeuglinie aus denselben Lautsprechern oder Kopfhörern wie aus einem Guss (was bei A-Drums nur in einer aufwendigen + kostspieligen Tonstudio-Umgebung in ähnlicher Qualität gelingt). Auch sei dahingehend das Plus der Einfachheit für den Schlagzeugunterricht erwähnt. So ist es denkbar einfach, durch eine Aufnahme (Recording) von seinem "Spiel entlang der Musik" ein Feedback zu bekommen.
- Super Computer-Einbindung : die Möglichkeiten von E-Drums im Zusammenspiel mit Rechnern sind riesig! Das Lernen von Rhythmuslehre mit Hilfe eines Computer-Programms ist sehr effizient, einfach und auf beste Art und Weise machbar.
- Für Kinder (...und nicht nur für die) gibt es an einem E-Drum-Modul meist auch jede Menge lustige "Fun"-Klänge zu entdecken ; aber auch Vorsicht : es gibt dadurch natürlich auch die Gefahr der Ablenkung vom eigentlichen Vorhaben, welches da ist "Instrument spielen lernen".
- Größeneinstellung für die Kleinen : Bei E-Drums ist das meist wenig problematisch (im Gegensatz zu vielen A-Drum-Sets)
- Lautstärke für Mietwohnungen : Im Gegensatz zu A-Drums sind E-Drums von der Geräuschemission wesentlich leiser, wenn auch nicht lautlos(!) -> aber auch da gibt es durch Schallentkopplungs-Podeste Möglichkeiten zur Vermeidung von durch Wände geleitetem "Körperschall". Die Nachbarn werden es einem danken. Ein akustisches Schlagzeug ist da zumeist ein NoGo.
Was mich zum abschließenden Punkt bringt :
Bei vielen Schülern stellt sich die Frage nach einem akustischen Schlagzeug gar nicht, da dies in ihren Rahmenbedingungen (Mietwohnung) nicht möglich ist. Die Realität sieht sogar so aus, daß ich mehr E-Drummer als A-Drummer als Schüler habe.
Wie soll ich als Lehrer und Beratender jetzt auf die Frage "Was ist denn der Unterschied zwischen A und E beim Schlagzeug?" reagieren?
Soll ich es gar nicht erwähnen ganz nach dem Motto "Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß" (...es gibt sogar manche ahnungslosen Probeschüler und Eltern, denen fällt gar nicht auf, daß im Unterrichtsraum von einer der Einrichtungen, bei der ich arbeite, aus Lärmbelästigungsgründen lediglich seltsam geformte "Plastikschüsseln" vorhanden sind, die rein optisch schon so gar nichts mit z.B. dicken Bass-Trommeln gemein haben...) und einem Einsteiger gegenüber der Einfachheit und Stressfreiheit halber lieber mitteilen, daß der (einzige) Haupt-Unterschied ist, daß bei elektronischen Drums der Klang aus lautstärkemäßig regelbaren Lautsprechen kommt? ...Besser wärs wohl! Denn eine authentische Beratung bedeutet da des öfteren Ärger : z.B. die Verunsicherung der Eltern - wie in meinem am Anfang erwähnten, jetzigen neuen Fall (wenn eben der Kleine "Schlagzeug" lernen will / soll). Da tauchen dann bei ihnen logischerweise Rückzugsgedanken auf : der Kleine will Schlagzeug lernen, und jetzt erzählt der Berater und Lehrer, daß es gar kein echtes Schlagzeug ist! Was soll ich davon halten?? - also schnell Notbremse!
Denen sei gesagt : Ein E-Drum-Set ist quasi ein eigenständiges Schlagzeuginstrument, was viel Verwandtschaft mit seinem akustischen Vorbild aufweist, aber eben auch einige wesentliche Abweichungen, die ich als bemüht guter Lehrer und Berater nicht verschweigen möchte und kann.
Wenn Du als Schüler keine Möglichkeit hast, zu Hause am akustisches Instrument zu lernen, dann bleibt nur diese Option. Mit der kann man genausoviel (wenn nicht sogar mehr!) Spaß am Instrument und am Lernen und Erfolgserlebnisse haben, wie mit einem echten Instrument aus Holz und Metall. Auch dem Schwierigkeitsgrad des auf einem E-Drum erlernten Schlagzeugspiels sind keine Grenzen durch die Form gesetzt. Es ist halt, wenn man so will, in einigen Aspekten ein Anspruch auf einer anderen Ebene als beim A-Drum-Set, bzw ein Akustik-Schlagzeug hat manch andere Ansprüche.
Wenn Du als Schüler oder Schüleranwärter Dich in das echte Instrument verliebt hast und auf echten Trommeln und Becken spielen lernen möchtest, mußt Du Dir ebensolche besorgen. Da nützt das E-Drum nur sehr bedingt...
In diesem Sinne,
laß Dich (und laßt Euch, liebe Eltern) bitte von der Tatsache des "E" zu "A"-Unterschiedes NICHT abschrecken! Lerne eventuell E-Drums kennen und lieben, genau wie ich! Ich spiele unter anderem leidenschaftlich gerne E-Drums!
Es gibt auch so manche Leute, die extra gerne auf E-Drums lernen und spielen wollen und keine Lust auf "akustik" haben.
Und rein bezogen auf jüngere Schüler auf Einsteigerniveau ist es so, daß der Fokus erstmal auf den rudimentären, motorischen Dingen, sowie dem Verständnis für Rhythmik oder generell Musik an sich liegen darf, und da ist die Funktionsweise des Instruments erstmal unwichtig. Wenn der Nachwuchs dann viel Motivation und Talent mitbringt, kann man zusammen bestimmt zu einer adäquaten Lösung kommen, um den Schüler an ein A-Drum zu lassen und entsprechend zu fördern. Vielleicht weise ich hier auch mal auf eine "Reise" hin, auf die sich jeder Schüler begibt und die den (E-Drum-)Startpunkt relativiert. Und es gibt Lebensumstände, die vielleicht das Eine wollen, und das Andere nur erlauben, und trotzdem kommt dann eventuell etwas Tolles dabei heraus.
Keep On Drumming - egal ob "A" oder "E" !!!
Euer Drum-Teacher Nick
ach ja, wenn das irgendwo anders besser reinpaßt als hier, bitte ich die Moderation es zu verschieben...