Jeden Gig so spielen als wäre es der Letzte
Armin Rühl dürften die meisten als Drummer von Herbert Grönemeyer kennen.
In seiner Heimat im Rhein-Neckar-Delta ist er zusätzlich als reger Trommler
unterwegs mit verschiedenen Bands (z.B. mit seiner eigenen namens Stahl)
und Formationen. Wer ihn live sieht oder sich mit ihm unterhält, erfährt,
dieser Mensch liebt seinen Job, es ist kein Beruf sondern eine Berufung.
DF: Wann ging es los mit dem Schlagzeug?
AR: Los ging es mit der kleinen Trommel, 1964, da war ich sieben Jahre alt. Bei der örtlichen
Blaskappelle spielte ich die Marschtrommel. Das war insofern ganz gut, dass meine
erste Erfahrung mit einer Band ein Orchester mit 36 Leuten
war. Mit zwölf Jahren hatte ich dann zum ersten Mal ein komplettes Schlagzeug
bekommen. Seitdem habe ich nicht mehr aufgehört zu trommeln. Man hatte gesagt,
irgendwann gibt sich das mit dem Schlagzeug, irgendwann wird er vernünftig und lässt
diese Spinnerei sein, aber, das war nicht so! Jetzt bin ich bald 50 und immer noch nicht
vernünftig!
Es heißt ja auch Schlagzeugspielen, es hat also etwas kindliches. Wenn ich zu meiner
Tochter sage, ich muss heute Spielen gehen, andere Väter sagen, ich muss Arbeiten
gehen, dann denkt sie, das Leben als Erwachsener kann nicht so schlimm sein, wenn
Papa noch spielt.
DF: Ab wann Profi?
AR: Das war am 01. September 1978, da habe ich bei Edo Zanki angeheuert. Davor habe ich
die mittlere Reife gemacht und Industriekaufmann gelernt und habe nur auf eine Chance
gewartet, dass ich das hinter mir lassen kann. Ich war so 19 und stand noch unter
Fuchtel von meinem Vater, der Zanki hat eine Band für eine Deutschlandtour
zusammengestellt und jedem Musiker 1500 DM monatlich garantiert. Damals hatten die
Plattenfirmen noch Geld. Jedenfalls, als Industriekaufmann verdiente ich 100 Mark
weniger und hatte somit einen Grund zu meinem Vater zu sagen, dass ich als Musiker
mehr verdiene.
DF: Das konnte er nachvollziehen?
AR: Äh, nee, ich bin dann zuhause rausgeflogen! Zehn Jahre lang war ich Profimusiker, bevor
ich beim Herbert Grönemeyer eingestiegen bin. Ich hatte in der Zeit nie eine große
Wohnung, andere Luxus war auch nicht drin, kein Auto, kein Urlaub, das habe ich aber
auch nicht gebraucht. Ich war frei, ich war Musiker und brauchte morgens um sieben
nicht aufstehen. Ich war das, was ich schon immer sein wollte, ich hatte mir meinen
Schülertraum erfüllt, denn kein Mensch braucht morgens um sieben einen Schlagzeuger.
Nächte um die Ohren hauen, kein Problem, aber, morgens will ich ausschlafen.
DF: Was bedeutet das Instrument für dich?
AR: Es ist mein Medium. Ich konnte es mir nicht aussuchen, bei mir war es
definitiv in die Gene eingegraben worden. Ich nehme jeden Gig Ernst und spiele so,
als wenn es mein letzter wäre, egal, ob mit Grönemeyer oder irgendeiner kleinen Band
auf einer Hochzeit. Alle Gigs, die ich zuvor gespielt habe, waren nur dazu da, um diesen
einen so gut wie möglich spielen zu können. Vor einem Gig mache ich mir bewußt, wie die
Umstände sind, d.h. wie groß ist der Raum, die Band und welche PA steht da. Dann frage
ich meine Trommeln, wer mitmöchte. Manchmal schreit dann aber auch eine, die eigentlich gar-
nicht zu den Bedingungen des Gigs paßt.
Ich habe musikalische Großeltern, da könnte es herkommen, keine Ahnung. Ich
weiß nur, dass ich immer Trommler sein wollte. Meine erste Erinnerung ist, dass mein Opa
mich vor dem großen Röhrenradio gesetzt hat und die Musik durch mich durchging und
ich konnte nicht anders, als mir Kochlöffel zu besorgen und zu der Radiomusik zu spielen,
da war ich vielleicht mal gerade drei Jahre alt. Das war und ist bei mir definitiv eine
Berufung. Ich war berufen zum Trommler, fertig!
In den 80ern zählte das Aussehen live mehr als die Qualität, ich spielte ein Pearl Export
mit Chromfolie, weil das am besten aussah. Ich war ja Pearl-Endorser bis 1998 Willi
Wahan kennenlernte. Er hat mir einen Prototyp seines Buchenholzsets zur Verfügung
gestellt. Das war eine Offenbarung, jetzt hatte ich endlich das Schlagzeug, nachdem ich
schon solange gesucht hatte. Zwischen mir und dem Hörer ist nichts mehr, was
unzulänglich ist. Es macht mir richtig Spaß, auf den Sets von Wahan zu spielen. Übrigens
habe ich das erste Set bestellt und selbst bezahlt, ich wollte es unbedingt haben, egal,
was es kostete. Das Set hat mich beeinflusst, früher sah es nach einem Gig rund um
mein Set aus wie im Hasenstall, kaputte Stöcke und so. Ich spiele immer noch mit Druck,
aber mittlerweile mache ich nichts mehr kaputt, keine Felle mehr und auch keine Becken
mehr. Die Mensch-Platte habe ich mit einem Schlagzeug und einer Snare aufgenommen,
früher hatte ich bis zur acht Snares dabei. Das war schon recht nervig, die alle
durchzuprobieren beim Soundcheck, da tat mir schon mal nach acht Stunden die Schulter
weh und nervöser wurde ich dann auch. Das ist zum Glück vorbei, die Wahan-Snare ist
so flexibel, da reicht nur eine. Normalerweise mache ich heutzutage keine langen
Soundchecks mehr, zur Freude aller Beteiligten.
Armin Rühl beim DF5.0 erklärt seine Welt des Trommelns
DF: Stichwort Studio, produzierst du auch?
AR: Ja. Das Studio habe ich schon lange, das haben wir 1984 gebaut, zehn Jahre später
haben wir da auch eine Grönemeyer-Produktion gemacht. Heutzutage ist es aber wegen
der technischen Entwicklung fast unmöglich , mit einem Studio Geld zu verdienen und
der ganze Markt ist mittlerweile auch stark zerbröselt. Es gibt auch kaum noch Bands, die Wert
darauflegen zusammen einzuspielen und dann womöglich noch analog. Der Trend geht zu MP3.
Da braucht man keine teuren Mikrophone mehr, denn die Daten sind ja reduziert und die
Hörgewohnheiten ändern sich.
DF: Wie siehst du die Zukunft der Musikindustrie?
AR: Finster, es gibt kaum noch Plattenlabels, die Geld in eine Produktion stecken und
Liveclubs sind auch rar, du kannst als Musiker nur übers Internet versuchen, deine Aufnahmen
zu verkaufen. Heute als Musiker überleben zu wollen, ist sehr hart, denn gerade für Drummer
gibt es kaum Studiojobs. Das war in den 70ern ganz anders.
DF: Wie siehst du die Funktion / Rolle des Drummers innerhalb einer Band / eines
Projektes?
AR: Der Drummer sollte der Puls sein, den Beat geben. Das kann auch jenseits der Musik
sein. Ich war nie ein Trommler, der sich nur so hinter dem Schlagzeug gesetzt hat,
sondern, auch beim Herbert, will ich mich einbringen, mein Verständnis von Rhythmus
und meine Energie der Band zu Verfügung stellen. Das ist mein Job! Man muss sich aber
unterordnen können, wenn jemand ganz klare Vorstellungen davon hat, wie sein Song
klingen muss. Als jüngerer Mensch hatte ich damit meine Probleme und war schnell
aufbrausend. Mein Schlüsselerlebnis war, dass der Bassist bei Edo Zanki zu mir sagte, ich
sollte den Groove mal so und so spielen, das ging in Richtung das, was Steve Gadd
damals machte. Ich war erst mal beleidigt, dass der mir sagen will, wie ich zu spielen
habe. Dann habe ich den Groove aber doch so gespielt und der Song wurde später in der
Fachpresse besprochen und es wurde ausdrücklich der geile Groove erwähnt, der wurde
mir zugeschrieben. Nur ich wusste, das war gar nicht mein Groove, sondern der des
Bassisten. Daraus habe gelernt, auch mal auf den Bassisten zu hören. Ein guter Bassist
steht ja neben dem Drumset und hat eine Vorstellung, wie der Song klingen sollte.
DF: Wie wichtig ist die zwischenmenschliche Kommunikation, muss ein Schlagzeuger
einen ausgleichenden Charakter haben?
AR: Ja, klar, das ist definitiv so. Mir kommt zugute, dass mein Aszendent Waage ist, ich habe
den Drang, immer auszugleichen und zu vermitteln, das ist für die Teamfähigkeit sehr
wichtig. Musik wird ja meistens im Team hergestellt. Neurotische Sänger oder
ausgeflippte Gitarristen soll es ja auch geben. Aber, in der Band bin ich arg dem Team
verpflichtet und versuche nicht nur mit meinem Instrument zu vermitteln, sondern auch
zwischenmenschlich. Wenn das ein Trommler kann, dann ist das eine gute Sache. Das ist
vielleicht genauso wichtig wie die Trommelkunst selber. Das heißt, du musst auch
menschlich mit den anderen klarkommen und kannst nicht z.B. arrogant sein. Das muss
man sich erarbeiten.
Wir Trommler sind ein eigenes Volk und ich bin stolz darauf, dass ich dazugehöre. Bei
meinen Reisen durch die Welt und durch die Zeiten habe ich festgestellt, dass Trommler
auf der ganzen Welt Brüder sind. Wir sind wie von einer Familie. Z.B. in Afrika wurde ich
gefragt nach meinem Beruf und als ich antwortete, Schlagzeuger, holten sie die
Trommeln raus und los ging die Jamsession. Wir schoben uns die Licks zu. Große Sache,
auf so etwas stehe ich.
DF: Den Tipp für das DF?
AR: Als Schlagzeuger vielseitig sein, verschiedene Stile spielen und hören, sich eine große
stilistische Bandbreite erarbeiten, gerade, wenn du jung bist. Leise spielen ist auch sehr
wichtig, eine große Dynamik ist sehr wichtig. Was mich aufregt, wie Schlagzeuger ein
Stück kaputtprügeln, das kommt nicht gut rüber, denn sie spielen nicht angemessen. Das
muss zu der Musik und dem Sound der Band passen. Es muss auch zum Raum passen, in
einem Raum mit viel Hall kann ich nicht so draufdreschen wie im Proberaum. Da musst
du dich zurücknehmen.
Deswegen ist es auch wichtig, nicht nur im Proberaum sondern möglichst viel auf
verschiedenen Bühnen in verschiedene Situationen zu spielen, nur so bekommst du die
nötige Erfahrung.
Ich habe ein gutes Buch zuhause, "The big beat" von Max Weinberg, der Drummer von
Bruce Springsteen. Der hat große Drummer wie Bernhard Purdie interviewt, da erfährst
du viel Hindergrundwissen.
Armin in action
Vielen Dank an Armin und an das Session in Walldorf, dessen Chef Harry Schubkegel uns
selbslos sein Büro für das Interview zur Verfügung stellte.